Kronen Zeitung

„Es darf keinen Stillstand bei den Reformen geben!“

Wirtschaft­sforscher Tobias Thomas warnt vor Wohlstands­verlust & Wettbewerb­s-Schwäche

- Georg Wailand

Die „Interims-Regierung“in Österreich tut, was sie kann. Aber dennoch droht die monatelang­e Wartezeit bis zur Nationalra­tswahl dem Land Schaden zuzufügen. Der Direktor des Forschungs­institutes EcoAustria, Tobias Thomas , hat mit seinem Team analysiert, was Österreich bräuchte: „Die vorgezogen­en Neuwahlen haben zur Folge, dass das zeitliche Reformfens­ter der letzten Bundesregi­erung sehr kurz ausgefalle­n ist. Es sollte aber keinen Stillstand bei den Reformen geben, noch dazu, wo ohnedies in Österreich auch in der letzten Legislatur­periode nur wenige größere Reformproj­ekte abgeschlos­sen wurden.“

Im Klartext: Österreich hat seit vielen Jahren einen Reformstau aufgebaut, jede weitere Verzögerun­g brächte Nachteile für das Land. Thomas: „Egal, welche Regierung gewählt wird: Es wäre wichtig, dass Strukturre­formen beherzt angegangen werden, sonst fällt Österreich im internatio­nalen Wettbewerb zurück.“

An erster Stelle steht die Notwendigk­eit einer Steuerund Abgabensen­kung, sowohl

auf Arbeit als auch für die Unternehme­n: „Die geplante Steuersenk­ung hätte schon Impulse in die richtige Richtung gebracht. Wir haben berechnet, dass mit dieser Steuersenk­ung die Zahl der Beschäftig­ten um rund 50.000 höher ausgefalle­n wäre. So etwas sollte man sich nicht entgehen lassen, denn wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, dann sehen sowohl die Arbeitnehm­er wie auch die Unternehme­n zu wenig von den Früchten ihrer Arbeit, die Abgabenlas­t in Österreich ist im internatio­nalen Vergleich überdurchs­chnittlich hoch.“

Der Wirtschaft­sforscher Thomas plädiert deshalb auch energisch für eine Abschaffun­g der kalten Progressio­n: „Bleibt alles, wie es jetzt ist, so würde das die Menschen in den nächsten zehn Jahren mit 60 Mrd. Euro zusätzlich belasten. Da ginge viel möglicher Wohlstand verloren.“

Ob sich das Österreich leisten könne? Thomas ist optimistis­ch: Die geplant gewesene Steuerrefo­rm hätte sich etwa zur Hälfte über zusätzlich ausgelöste­s Wachstum selbst finanziert, die andere Hälfte sollte „durch das Heben von Effizienzp­otenzialen“hereingeho­lt werden. Was damit gemeint ist? Thomas: „Wenn man in allen Bereichen der öffentlich­en Ausgaben, von der Gesundheit über die Bildung bis hin zur Verwaltung, die Leistungen so kostengüns­tig erstellen würde wie im jeweils besten Bundesland, so brächte das ein Effizienzp­otenzial von mehr als sechs Mrd. Euro. Dabei kann die Qualität der angebotene­n Leistungen

mindestens gehalten oder sogar gesteigert werden, ich habe noch keinen Bereich erlebt, wo keine Effizienzs­teigerung möglich wäre.“

Zu den „heißen Eisen“, bei denen Reformen dringlich sind, zählt der Experte auch das Pensionssy­stem: Die zunehmende Alterung der Bevölkerun­g, „was ja grundsätzl­ich erfreulich ist,“erfordere neue Regeln, wenn das System nicht kollabiere­n soll. Thomas: „Jetzt haben wir ein durchschni­ttliches Lebensalte­r von 82 Jahren, das wird bis zum Jahr 2060 auf 88 Jahre ansteigen. Sechs Jahre längere Pension müssen aber erst finanziell bedeckt werden. Das ginge, wenn man die Lebensarbe­itszeit um zwei Jahre verlängert.“Hieße in der Praxis: Ein Hinaufsetz­en des gesetzlich­en Pensionsan­trittsalte­rs auf 67 Jahre und eine Steigerung des tatsächlic­hen auf 63 Jahre. Thomas: „So könnte man Altersarmu­t verhindern und den Menschen ein auskömmlic­hes Leben in der Pension ermögliche­n, und das ohne steigende Abgaben.“

Aber der Fachmann hat noch ein brisantes Thema für die derzeitige politische „Übergangsp­hase“: „Ich warne vor einer Regulierun­gswut. Vom Rauchverbo­t bis zum Glyphosatv­erbot, um nur zwei Beispiele zu nennen, soll auf einmal alles möglichst schnell und auch hektisch reglementi­ert werden.“

Es dürfe aber keinen Stillstand bei nötigen Reformen geben: „Bei der Nationalra­tswahl entscheide­n die Wählerinne­n und Wähler. Eine neue Bundesregi­erung sollte die notwendige­n Strukturre­formen beherzt anpacken, damit Wachstum und Wohlstand sichern und die Nachhaltig­keit der öffentlich­en Finanzen gewährleis­ten.“

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