„Es darf keinen Stillstand bei den Reformen geben!“
Wirtschaftsforscher Tobias Thomas warnt vor Wohlstandsverlust & Wettbewerbs-Schwäche
Die „Interims-Regierung“in Österreich tut, was sie kann. Aber dennoch droht die monatelange Wartezeit bis zur Nationalratswahl dem Land Schaden zuzufügen. Der Direktor des Forschungsinstitutes EcoAustria, Tobias Thomas , hat mit seinem Team analysiert, was Österreich bräuchte: „Die vorgezogenen Neuwahlen haben zur Folge, dass das zeitliche Reformfenster der letzten Bundesregierung sehr kurz ausgefallen ist. Es sollte aber keinen Stillstand bei den Reformen geben, noch dazu, wo ohnedies in Österreich auch in der letzten Legislaturperiode nur wenige größere Reformprojekte abgeschlossen wurden.“
Im Klartext: Österreich hat seit vielen Jahren einen Reformstau aufgebaut, jede weitere Verzögerung brächte Nachteile für das Land. Thomas: „Egal, welche Regierung gewählt wird: Es wäre wichtig, dass Strukturreformen beherzt angegangen werden, sonst fällt Österreich im internationalen Wettbewerb zurück.“
An erster Stelle steht die Notwendigkeit einer Steuerund Abgabensenkung, sowohl
auf Arbeit als auch für die Unternehmen: „Die geplante Steuersenkung hätte schon Impulse in die richtige Richtung gebracht. Wir haben berechnet, dass mit dieser Steuersenkung die Zahl der Beschäftigten um rund 50.000 höher ausgefallen wäre. So etwas sollte man sich nicht entgehen lassen, denn wenn alles so bleibt, wie es jetzt ist, dann sehen sowohl die Arbeitnehmer wie auch die Unternehmen zu wenig von den Früchten ihrer Arbeit, die Abgabenlast in Österreich ist im internationalen Vergleich überdurchschnittlich hoch.“
Der Wirtschaftsforscher Thomas plädiert deshalb auch energisch für eine Abschaffung der kalten Progression: „Bleibt alles, wie es jetzt ist, so würde das die Menschen in den nächsten zehn Jahren mit 60 Mrd. Euro zusätzlich belasten. Da ginge viel möglicher Wohlstand verloren.“
Ob sich das Österreich leisten könne? Thomas ist optimistisch: Die geplant gewesene Steuerreform hätte sich etwa zur Hälfte über zusätzlich ausgelöstes Wachstum selbst finanziert, die andere Hälfte sollte „durch das Heben von Effizienzpotenzialen“hereingeholt werden. Was damit gemeint ist? Thomas: „Wenn man in allen Bereichen der öffentlichen Ausgaben, von der Gesundheit über die Bildung bis hin zur Verwaltung, die Leistungen so kostengünstig erstellen würde wie im jeweils besten Bundesland, so brächte das ein Effizienzpotenzial von mehr als sechs Mrd. Euro. Dabei kann die Qualität der angebotenen Leistungen
mindestens gehalten oder sogar gesteigert werden, ich habe noch keinen Bereich erlebt, wo keine Effizienzsteigerung möglich wäre.“
Zu den „heißen Eisen“, bei denen Reformen dringlich sind, zählt der Experte auch das Pensionssystem: Die zunehmende Alterung der Bevölkerung, „was ja grundsätzlich erfreulich ist,“erfordere neue Regeln, wenn das System nicht kollabieren soll. Thomas: „Jetzt haben wir ein durchschnittliches Lebensalter von 82 Jahren, das wird bis zum Jahr 2060 auf 88 Jahre ansteigen. Sechs Jahre längere Pension müssen aber erst finanziell bedeckt werden. Das ginge, wenn man die Lebensarbeitszeit um zwei Jahre verlängert.“Hieße in der Praxis: Ein Hinaufsetzen des gesetzlichen Pensionsantrittsalters auf 67 Jahre und eine Steigerung des tatsächlichen auf 63 Jahre. Thomas: „So könnte man Altersarmut verhindern und den Menschen ein auskömmliches Leben in der Pension ermöglichen, und das ohne steigende Abgaben.“
Aber der Fachmann hat noch ein brisantes Thema für die derzeitige politische „Übergangsphase“: „Ich warne vor einer Regulierungswut. Vom Rauchverbot bis zum Glyphosatverbot, um nur zwei Beispiele zu nennen, soll auf einmal alles möglichst schnell und auch hektisch reglementiert werden.“
Es dürfe aber keinen Stillstand bei nötigen Reformen geben: „Bei der Nationalratswahl entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Eine neue Bundesregierung sollte die notwendigen Strukturreformen beherzt anpacken, damit Wachstum und Wohlstand sichern und die Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen gewährleisten.“