Im Todesrausch
Wr. Neustadt, Serbenhalle, Manker:
Schon im Vorjahr wurde Paulus Mankers KarlKraus-Bezwingung als Ereignis des Theatersommers gefeiert (die Salzburger Festspiele inbegriffen). Die Diagnose bestätigt sich zur Pause souverän. Abermals sieht man in Wiener Neustadt das scheinbar Unmögliche verwirklicht: „Die letzten Tage der Menschheit“in maximaler Annäherung an das unaufführbare Original.
Manker ist ein energetisches Phänomen. Als ihm im Vorjahr die Subvention ausfiel, stemmte er das Monumentalprojekt unter massiver Selbst- und Fremdausbeutung. Auch in deren Gefolge kamen ihm heuer die akklamierten Protagonisten Alexander Waechter und Franz Joseph Csencits abhanden. Und wie reagiert Manker? Er erweitert das Sechsstundenprojekt noch und übernimmt ereignishaft die Rolle des Parvenus SchwarzGelber. Die NörglerMonologe werden zum Teil Sprechchören zugeordnet, was gut mit ihrer archaischen Beschaffenheit korrespondiert. Die gewaltige „letzte Nacht“wird in Auszügen über den Abend verteilt, auch das eine legitime Maßnahme: Kraus verortet den Untergang schon beim ersten entmenschten Schrei der Zeitungskolporteure.
Bis zur Pause wurde das vorjährige Niveau zumindest erreicht. Manker entfesselt wieder den rasenden, zum Himmel flammenden Untergang des Habsburger-Reichs in allen seinen Schrecken: von der tödlichen Niedertracht der Beamtenkreaturen, vom mörderischen Gebrüll der Massen bis zum Elend vor dem Weltenbrand. Schätzenswerterweise werden diesmal verstärkt die von der Kriegspropaganda gekauften Literaten zur Rechenschaft gezogen. Nicht auszudenken, was Manker in seiner Besessenheit aus dem Volkstheater gemacht hätte.