Kronen Zeitung

Gelebte Demokratie

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Am 29. September werden wir, das Volk von Österreich, „zu den Wahlurnen gerufen“. Ja, alle Wahlberech­tigten Menschen werden gerufen, auch jene, die glauben, das Ei des Columbus erfunden zu haben, indem sie erklären, dass es für sie keine politische Partei gibt, die sie wählen könnten. Auch jene, die gern erzählen, dass sie nicht zur Wahl gehen, weil „die“so und so machen, was sie wollen. Auch jene, die etwas Besseres zu tun haben, und jene, die seufzen und erklären, dass sie „denen“zeigen, was sie von ihnen halten, indem sie der Wahl fernbleibe­n.

Alle diese Menschen sagen den Politikern indirekt, dass sie machen können, was sie wollen, sind aber jene, die am lautesten schreien, wenn das dann wirklich geschieht. Diese Menschen betrachten es als Selbstvers­tändlichke­it, in einer Demokratie zu leben, sind aber nicht bereit, das Ihre dazu beizutrage­n, um die Demokratie am Leben zu halten. Sie ignorieren die alte Weisheit, dass jemand, der etwas nimmt, auch bereit sein muss, etwas zu geben, sie verstehen nicht, dass es ein Privileg ist, in einer Demokratie zu leben, und dass, weil es in einer funktionie­renden Demokratie keine Wahlpflich­t gibt, die moralische Pflicht an Wahlen teilzunehm­en, einen um so höheren Stellenwer­t hat.

Ja, wir haben in Österreich die parlamenta­rische Demokratie, ja, wir wollen natürlich mehr direkte Demokratie. Aber bis es so weit ist, müssen wir die Möglichkei­ten, die uns diese parlamenta­rische Demokratie gibt, voll ausnützen. Wir haben das Glück, dass wir um unsere Demokratie nicht mehr kämpfen müssen, wie das vor vielen Jahren unsere Vorfahren machen mussten, die sehr viel auf sich genommen haben und sogar unter Lebensgefa­hr für die Demokratie eingetrete­n sind.

Über Demokratie zu reden, sie immer wieder einzuforde­rn, ist gut und richtig, aber nicht genug. Man muss die Demokratie leben!

Helmut Ehold, per E-Mail

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