Jede Kuh hat einen Namen
Das Leben als Bauersfamilie birgt viele Entbehrungen. Zum Glück gibt es noch leidenschaftliche Landwirte, die für uns alle gesunde Lebensmittel erzeugen.
Als Reinhard Scherzer ins Gymnasium ging, hatte er in seiner Geldtasche ein Foto dabei. Darauf zu sehen: seine Lieblingskuh „Gerda“. Heute ist der Drautaler selbst Bauer, mit Leib und Seele. Er
machte zusätzlich die Ausbildung zum Lehrer, übernahm mit 24 den elterlichen Hof und wurde Vollzeitlandwirt. „Ich wollte nie einen Bauern oder einen Lehrer als Ehemann“, erzählt seine Gattin Trudi. „Heute hab ich beides“, ergänzt sie mit einem Lächeln. Die Leidenschaft für die Landwirtschaft hat sie längst auch gepackt.
Der enge Kontakt zu den Tieren ist wichtig
Ihre 40 Milchkühe und die Kälber sind für die Scherzers wie Familienmitglieder. Selbstverständlich hat jede Kuh einen Namen. Reinhard ist davon überzeugt, dass der enge Kontakt zum Menschen seine Kühe gesund und glücklich macht. Durch die Zuwendung, die seine Kälber erhalten, sind die Tiere handzahm und umgänglich. „Wenn eine Kuh ein Kalb bekommt und ich mich nicht entsprechend um sie kümmere, ernte ich nervöse Blicke„, erzählt Reinhard über die gute Mensch-Tierbeziehung auf dem Hof.
„Die Art und Weise, wie wir als Familienbetrieb im Alpenraum produzieren, garantiert höchste Qualität“, ist Landwirt Scherzer überzeugt. Durch seine Tätigkeit bei der größten Molkerei Kärntens erlebt er, dass die kleinbäuerliche, tierbezogene Produktionsweise keinesfalls mehr selbstverständlich ist. In den vergangenen 25 Jahren haben 60 Prozent der kleineren Milchbauern aufgehört! Überlebenschancen haben fast nur noch große Betriebe mit hohen Milchleistungen. Das Traurige: Trotz jährlich steigender Fixkosten erhalten die Landwirte für ihre Milch nicht mehr Geld.
Trudi erzählt von befreundeten Bauern, die bis zur totalen Erschöpfung arbeiten
und auf Sozialkontakte, Auszeit und vor allem auf sich selbst vergessen. Der Überlebenskampf wird immer härter. „Auch wenn man mit Leidenschaft Bauer ist, tut es weh, keinen fairen Preis zu bekommen“, erzählt sie. Für das Ehepaar war es eine schlimme Erfahrung, erkennen zu müssen, dass sie von der Lebensmittelproduktion alleine nicht mehr leben können. Ohne Agrarförderungen könnten weder die Scherzers noch viele andere Betriebe existieren.
Es ist manchmal schon fast ein kleines Wunder, wenn sich junge Menschen für die Übernahme eines Hofes entscheiden. Wer will schon sieben Tage die Woche arbeiten? Vom Wetter abhängig sein? Wenn selbst abendliche Kinobesuche zur logistischen Hochleistung werden, weil die Kühe im Stall gemolken werden wollen – dann ist es schnell vorbei mit der idyllischen Vorstellung, Bauer zu sein.
Tochter Edina will den Bauernhof übernehmen
Trotz aller Herausforderungen haben die Scherzers ihre Freude an der Arbeit mit den Tieren ihren Kindern stets vorgelebt. Sonst würde es sich Tochter Edina wohl nicht vorstellen können, den Betrieb zu übernehmen. Derzeit schließt sie ihr Studium der Nutztierwissenschaften ab und schreibt ihre Masterarbeit. Die Eltern haben sie nie zu dieser Entscheidung gedrängt. Mama Trudi weiß allzu gut, mit wie vielen Entbehrungen eine Landwirtschaft verbunden ist. Und dennoch ist sie glücklich in ihrem Leben als Bäuerin, und würde dieses gegen nichts auf der Welt eintauschen: „Es macht mir Freude, mit meinen Tieren gemeinsam gesunde Milch zu erzeugen!“