Versuchsstation für Weltuntergang
Wiener Neustadt: Karl Kraus „Die letzten Tage der Menschheit“, Paulus Manker Am Ende steht allen die Erschöpfung ins Gesicht geschrieben: Fast sieben Stunden lang bezwingt Paulus Manker Karl Kraus’ monumentales und fast unspielbares Mammutwerk „Die letzt
Manker und sein famoses Schauspielerteam in der Wiener Neustädter Serbenhalle: imposant! Kraus reflektiert nicht nur die Politik, sondern vor allem den Menschen im Ersten Weltkrieg. Ein Bild der Kriegsjahre, das jeden Hurra-Patriotismus austreibt. Das Erschreckende, das Böse, Dumme, Banale, Absurde ist plötzlich hautnah. Eine zynische und bittere Abrechnung! Eine Analyse des Verfalls und Untergangs Altösterreichs, dieser „Versuchsstation für den Weltuntergang“.
Diese Endzeitstimmung nimmt Manker in der großräumigen Serbenhalle (ein Ort mit dunkler NS-Vergangenheit) als Ausgangspunkt: das Zerschlissene der Kostüme, des Ambientes und der Requisiten zeigt auch das Heruntergekommene der Gesellschaft, des Einzelnen. Was auch gefeiert wird, immer geht es abwärts.
Im Stationentheater „Marke Manker“agieren die Darsteller simultan, die Zuschauer spazieren von Szene zu Szene und stellen sich so ihren persönlichen Theaterabend zusammen. Und sind auf Tuchfühlung mit den Schauspielern. Endzeit einer Gesellschaft: Karl Kraus in Wiener Neustadt
Was diesen Abend von der legendären „Alma“-Produktion unterscheidet, ist die Reduktion des Intimen. Ein beachtlicher Teil der Szenen spielt sich in der riesigen Zentralhalle ab, die Darsteller skandieren im Chor . . . Großes Theater! Grenzen sprengend! Darunter versteht man im Falle des Manker’schen Zugangs nicht nur die emotionale und darstellerische Dimension. Es ist auch ein Formbegriff.
Alles ist imposant: Aufführungsdauer, Verbrauch an Fackeln und Kerzen, Lautstärke, Gruppenszenen, Räume, der Einsatz des dauernd rollenden Zugs. Suggestiv dröhnt Musik. Etwa Lohengrin und Zarathustra, aber auch der Csárdás von Monti. Alles brennt und raucht. Wo Feuer ist, ist Manker . . . Dass die intime Detailzeichnung durch den Reibungsverlust der großen Dimension reduziert ist, ist klar. Dafür nimmt Manker
sein Publikum auf einen beklemmenden Trip durch die Schützengräben, Lazarette, Redaktionsstuben, zur SirkEcke und an die Front mit.
Beeindruckend die Leistung der Darsteller. Was die Damen und Herren umsetzen, wie sie an die Grenzen gehen, schreien, mit großer Geste spielen, Rollen wechseln, klettern und den Raum füllen, ist unglaublich. Am Ende: kathartische Erschöpfung. Aller Beteiligten! Stationentheater: P. Manker