Jubel nach Erstarrung
Salzburger Festspiele: Wiener & Blomstedt Thematisch schloss das erste Konzert der Wiener im Großen Festspielhaus nahezu an die ,Lacrimae‘-Woche der Ouverture spirituelle an: Mahlers Neunte Symphonie ist auch von der Schwermut der letzten Dinge geprägt.
Der noble Sir aus Schweden steht schon in seinem zehnten Lebensjahrzehnt, umso erstaunlicher seine Dirigier-Präsenz. Die ganz am Ende, nach dem Verklingen der letzten hauchzarten Adagio-Klänge, ein wenig gespenstisch anmutet: Blomstedt verharrt fast eine Minute in einer kontemplativen Erstarrung, ehe Entspannung eintritt. In diese Stille platzt dann der erlaubte Jubel der letztlich „Sitzflächen-befreiten“Ovationen, nachdem Blomstedt durch eine Komposition führte, der die Erschütterung aufgrund der tragischen Lebensumstände des Verfassers in vielen Passagen anzumerken ist.
Mahlers Neunte, deren Uraufführung 1912 der Komponist nicht mehr erleben durfte, besteht vor allem in den Mittelsätzen aus einem intensiven Dahinschleppen, dann und wann, vor allem in der Rondo-Burleske, stürmisch-furios unterbrochen. Da ist eine Energie spürbar, als wollten sich letzte Lebensgeister noch einmal gegen das Unausweichliche aufbäumen.
Unverkennbar klingt in manchen Sequenzen, fast prophetisch, irgendwo schon der Beginn der Moderne durch, überaus berührend die von den Harfenklängen umrahmte zärtlichmelodiöse Melancholie. Blomstedt ist in seiner seriös-unaufgeregten Manier ein für die Wiener idealer Mann am Pult – hektisch wirkt er nur einmal, und da ist die eigentliche Arbeit bejubelt getan: Als er nämlich offenbar mit äußerster Genauigkeit danach trachtet, die im Fokus befindlichen Mitglieder, etwa die Blechriege, einem Extra-Applaus zuzuführen.