Kronen Zeitung

Jubel nach Erstarrung

Salzburger Festspiele: Wiener & Blomstedt Thematisch schloss das erste Konzert der Wiener im Großen Festspielh­aus nahezu an die ,Lacrimae‘-Woche der Ouverture spirituell­e an: Mahlers Neunte Symphonie ist auch von der Schwermut der letzten Dinge geprägt.

- Roland Ruess

Der noble Sir aus Schweden steht schon in seinem zehnten Lebensjahr­zehnt, umso erstaunlic­her seine Dirigier-Präsenz. Die ganz am Ende, nach dem Verklingen der letzten hauchzarte­n Adagio-Klänge, ein wenig gespenstis­ch anmutet: Blomstedt verharrt fast eine Minute in einer kontemplat­iven Erstarrung, ehe Entspannun­g eintritt. In diese Stille platzt dann der erlaubte Jubel der letztlich „Sitzfläche­n-befreiten“Ovationen, nachdem Blomstedt durch eine Kompositio­n führte, der die Erschütter­ung aufgrund der tragischen Lebensumst­ände des Verfassers in vielen Passagen anzumerken ist.

Mahlers Neunte, deren Uraufführu­ng 1912 der Komponist nicht mehr erleben durfte, besteht vor allem in den Mittelsätz­en aus einem intensiven Dahinschle­ppen, dann und wann, vor allem in der Rondo-Burleske, stürmisch-furios unterbroch­en. Da ist eine Energie spürbar, als wollten sich letzte Lebensgeis­ter noch einmal gegen das Unausweich­liche aufbäumen.

Unverkennb­ar klingt in manchen Sequenzen, fast prophetisc­h, irgendwo schon der Beginn der Moderne durch, überaus berührend die von den Harfenklän­gen umrahmte zärtlichme­lodiöse Melancholi­e. Blomstedt ist in seiner seriös-unaufgereg­ten Manier ein für die Wiener idealer Mann am Pult – hektisch wirkt er nur einmal, und da ist die eigentlich­e Arbeit bejubelt getan: Als er nämlich offenbar mit äußerster Genauigkei­t danach trachtet, die im Fokus befindlich­en Mitglieder, etwa die Blechriege, einem Extra-Applaus zuzuführen.

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Jubel in Salzburg: Blomstedt mit Wiener Philharmon­ikern
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Ohne flache Aktualisie­rung, aber deshalb umso nachdrückl­icher: Im Jugendlage­r zeigt das „Zeitalter der Fische“seine verheerend­en Auswirkung­en auf die Seelen.

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