Die Vermessung des Vertrauens
In diesen Festspieltagen erlaubt Alexander Van der Bellen seinen Gedanken zur Klimakrise einigen Freilauf. Das mag in gefühlter und akademischer Kenntnis um den Zustand der Welt seinem Gewissen geschuldet sein. Ein Balanceakt des Bundespräsidenten, der in der Mitte der Gesellschaft stets das Gleichgewicht herzustellen hat.
Mit Blick auf manche Vorgänge im Wahlkampf trägt der erste Mann im Staat besondere Verantwortung. Van der Bellen wird nach dem 29. September die eher persönlich verfeindeten als ideologisch getrennten Lager versöhnen müssen. Die bis zur Unkenntlichkeit vorsichtige Expertenregierung kann die Republik auf Dauer jedenfalls nicht durch die Turbulenzen unserer Zeit lotsen.
Wie nun sichtbar wird, benötigt eine vitale Republik nicht nur einen austarierenden Bundespräsidenten, sondern ebenso nicht mit Illusionen zu verwechselnde Ideen der politisch etablierten Kräfte. Größere und kleinere Parteien ringen jetzt aber weniger um konkrete Antworten auf Fragen der näheren Zukunft, sondern mehr um ihre generelle Glaubwürdigkeit.
Mit Wanderungen durch die Natur und mit Marktbesuchen zur Demonstration der Volksnähe mögen die Kandidaten durch den Sommer kommen. Im Herbst werden aber nicht Schritte gezählt und Selfies bewundert. Die Vermessung des Vertrauens basiert am Ende darauf, welche Persönlichkeit die höchste Zuverlässigkeit bei der Erfüllung der in sie gesetzten faktischen Erwartungen bewiesen hat.