Geduld muss man haben
Lieber Herr!“, sagte der Besitzer einer Fahrschule zu dem 44-jährigen Karl L. „I glaub, es is besser, Sie gebn den Traum nach an eigenen Führerschein auf! Sie san jetzt fast zwa Jahr lang bei mir eingschriebn und habn insgesamt 112 Fahrstunden gnumma. Se falln aber bei der Prüfung immer durch. Zugegeben, Se san mir persönlich in der langen Zeit ein lieber und treuer Bekannter gewordn, aber an Führerschein werd i Ihna nie verschaffn könna! Se derpackn s net, liaber Herr! Drum: Gebn S es auf, und fahrn S weiterhin mit der Bim. Die U-Bahn habn S aa vor der Tür.“
„Was?“, entgegnete Herr L. erschüttert. „Sie wolln mi wia an Aussätzign behandeln und mi anfoch aus Ihrer Schule ausstoßn? Habn S doch noch a bissl Geduld mit mir! Sobald der ane Fahrlehrer, der wegn mir an Nervnzusammenbruch kriagt hat, wieder aus der Klinik herausn is, fang i mit frischem
Mut von vurn wieder an!“
„Nein“, meinte der Fahrschulbesitzer. „Sie habn heute bei mir die letzte Fahrstund ghabt! I hab a Herz im Leib, und wann i dran denk, was Sie bei mir scho für Geld ausgebn habn – um de Marie hätten S Ihna jahrelang an Privatchauffeur leistn könna! Drum: Adieu, liaber Herr, Sie sind ein guter Mensch, aber a geborener Fußgänger!“
„Grad jetzt“, schluchzte der Fahrschüler, „wo i scho fast alle Verkehrszeichen kenn, wo i genau waß, für was a jeder Hebl in an Auto ghört, wo i schon an jedn Polizisten an der Uniform kenn und wo i scho monatelang ka Auto aus Ihnerer Schul mehr demoliert hab! Grad jetzt wolln S mi verstoßn
wia a missratenes Kind? Des überleb i net – und i geh aa zu kaner andern Fahrschul. I war scho bei alle eingschriebn!“
„Und wia er des gsagt hat“, berichtete der Fahrschulbesitzer vor Gericht, „is er auf de Straßn grennt und wollt se vur des Auto schmeißn, mit dem er de letztn zwaravierzg Fahrstundn gmacht hat. Im letztn Moment konnt i eahm no wegreißn. Diese Treue hat ma des Herz zerrissn! Ab heute bin i persönlich sei Fahrlehrer! I fahr sogar auf Urlaub mit eahm, und wann er net spätestens bis Weihnachten sein Führerschein hat, leg i mei Konzession zruck!“
Der Schüler bedankte sich überschwänglich und wurde von der Gefährdung der körperlichen Sicherheit freigesprochen.