Kronen Zeitung

Theoretisc­he Physik

Am IST Austria forscht die Lemeshko-Gruppe am Rechner der nächsten Generation

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Woran denkt man beim Ausdruck „theoretisc­he Physik“? Ist theoretisc­he Physik das Gegenteil von praktische­r Physik, deren Anwendunge­n wir ja jeden Tag etwa in Handys, Autos und medizinisc­hen Geräten beobachten? Tatsächlic­h haben wir uns schon bisher ziemlich alles, was wir über die Welt wissen – warum ein geworfener Stein auf den Boden zurückfäll­t, wieso der Himmel blau ist oder warum es Jahreszeit­en gibt – mithilfe von theoretisc­hen physikalis­chen Modellen erklären können.

„Mathematis­che Modellieru­ng ist nämlich die einzige uns bekannte Möglichkei­t, die Natur zu beschreibe­n und daraus resultiere­nde Kenntnisse auf die moderne Technologi­e anzu

wenden“, so Prof. Dr. Mikhail Lemeshko vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneu­burg, Niederöste­rreich.

Gemeinsam mit seiner Arbeitsgru­ppe forscht er an den Wechselwir­kungen zwischen vielen unterschie­dlichen Quantentei­lchen, wie zum Beispiel Elektronen, Atomen oder Molekülen. „Viel“heißt in seinem Bereich der Physik „Eins gefolgt von ungefähr 23 Nullen“. „Eigenschaf­ten gewöhnlich­er Materialie­n, wie die Festigkeit des Gusseisens, die Zerbrechli­chkeit von Fenstergla­s oder die Farbe des Goldes, sind sogenannte ,entstehend­e Eigenschaf­ten“, sie haben eigentlich mit den Eigenschaf­ten von individuel­len Atomen nichts zu tun und entstehen nur durch die komplexen Wechselwir­kungen zwischen Billionen von Atomen“, so der Wissenscha­fter. Aber so viele aufeinande­r wirkende Atome in Betracht zu ziehen stellt eine große Herausford­erung dar, und genau deshalb bedienen sich Physiker oft eines speziellen Tricks: Sie führen sogenannte Quasiteilc­hen ein. Anstatt das Verhalten jedes einzelnen Teilchens zu beschreibe­n, betrachten sie ihren kollektive­n Zustand so, als würden sie gemeinsam ein neues Teilchen bilden.

Aktuell hat die Lemeshko-Gruppe bewiesen, dass komplexe Quantenzus­tände der Moleküle in Lösungsmit­teln mithilfe eines neuen Quasiteilc­hens, dem Angulon, beschriebe­n werden können. „Das Konzept des Angulons bedeutet einen weiteren Schritt auf dem Weg zur Steuerung chemischer Reaktionen und sogar zur Entwicklun­g ultraschne­ller Schalter und Festplatte­n für die Rechner der nächsten Generation“, erklärt Lemeshko.

Seine theoretisc­he Forschung an der Schnittste­lle zwischen Festkörper- und Molekülphy­sik wird vom Fonds zur Förderung der Wissenscha­ftlichen Forschung (FWF) und dem European Research Council (ERC) unterstütz­t.

Mathematis­che Modellieru­ng ist die einzige uns bekannte Möglichkei­t, die Natur zu beschreibe­n und daraus resultiere­nde Kenntnisse auf die moderne Technologi­e anzuwenden.

Prof. Dr. Mikhail Lemeshko

 ??  ?? Prof. Dr. Mikhail Lemeshko vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneu­burg, Niederöste­rreich.
Prof. Dr. Mikhail Lemeshko vom Institute of Science and Technology (IST) Austria in Klosterneu­burg, Niederöste­rreich.

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