Klatsch und Tratsch
Können Sie schweigen?“, fragte Frau Anna B. ihre Nachbarin, als die beiden Frauen beim Mist-Ausleeren zusammentrafen. „Wia a Grab“, antwortete Frau Susi L. „Gibts was Neues?“
„Des glaub i“, meinte Frau Anna geheimnisvoll. „Des Fräuln Sofitsch vom zweiten Stock hat heut an Kasten in der Wohnung montiert kriagt. A junger Bursch hat eahm auffetragn. Wissen S, wann des war? Vur zwa Stund. Und wissen S, wo der Bursch jetzt is? No immer bei dem Fräuln Sofitsch.“
„Ja, ja“, entgegnete Frau Susi, „de Sofitsch kocht se de Männer ein wia unserans Marillen. Wann mas nur siecht, wias in der Fruah um de Mülch und Semmerl geht. An Schlafrock wia a Schauspielerin. Bestickte Schlapfn wia a Orientalin und a Nachthemderl wia a Spinnweb. Und wias drinn aussieht, geht niemand was an.“
„Pass ma den Buam oh, wann er aussegeht“, schlug Frau Anna vor. „I war neugierig, obs noch a bisserl an Genierer hat.“
Die Nachbarinnen bezogen daraufhin im Stiegenhaus Posten und hielten die Tür des Fräulein Sofitsch im Auge. Bald darauf huschte der Mann aus der Wohnung, von der Sofitsch mit Winken verabschiedet.
„Grad hamma um de Polizei gehn wolln!“, rief Frau Anna die Stiegen hinauf. „Mir habn scho glaubt, der Lieferant hat Ihna umbracht, weil er stundenlang bei Ihna gwesen is. Aber wann S dem Büberl Winke, Winke machn, muass er net gar so grob zu Ihna gwest sein.“
Drauf Fräulein Sofitsch: „Verschwinds, es zwa falsche Mistviecher. Euch tuats ja nur lad, dass euch an neichn Kastn net leistn könnts, geschweige de Montage davon. Wann ich euch no amal bei meiner Tür lauern siech, schütt i euch mit an Kübl Wasser an!“
Frau Susi: „Se san a Schandfleck für unser Haus. Mir täten se ja gern beim Verwalter beschweren, aber Se zahln ja sogar in Zins in Naturalien. Se Furie!“
Vor dem Richter, wo Frau Sofitsch wegen Ehrenbeleidigung geklagt hatte, lagen alle Ausdrücke fein säuberlich aufgeschrieben vor. Da Frau Sofitsch in ihrer Wortwahl selbst nicht zimperlich war, gab es keine Strafen für die beiden Nachbarinnen.