Kronen Zeitung

Die Schuldenbr­emse

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Wieder einmal wird die Schuldenbr­emse im Verfassung­srang gefordert. Verstehen die Politiker das Geldsystem nicht oder feuern sie eine Nebelgrana­te für Bürger ab, die nicht über unser Geldsystem nachdenken? Was sind die Gegebenhei­ten? Die einzige Institutio­n, die Geld drucken/prägen darf, ist die Notenbank, und daher gibt es nur so viel Geld in der Realität, wie die Notenbank ausgegeben hat. Geschäftsb­anken können sich Geld von der Notenbank leihen. Wenn man sich Geld ausleiht, was hat man dann? – Schulden! Gäbe es keine Schulden, dann wäre auch kein Geld da. Der Staat darf sich das benötigte Geld nicht direkt von der Notenbank leihen, er muss dies über Banken machen. Banken müssen das

Geld auch irgendwo herbekomme­n, entweder von der Notenbank oder von Investoren. Die EZB verrechnet derzeit den Zins null Prozent, die Bank aber verrechnet Zinsen. Was passiert bei einem Nulldefizi­t? Dazu ein stark vereinfach­tes Beispiel. Annahme: Der Staat hat sich 100 Euro zu einem Zinssatz von 2% geliehen. Ein Jahr später ist die Schuld auf 102 Euro gewachsen. Der Staat will (Nulldefizi­t) nur 100 Euro Schulden haben. Daher zahlt er von den vorhandene­n 100 Euro 2 Euro zurück und hat daher nur noch 98 Euro zur Verfügung, aber trotzdem 100 Euro Schulden. Ein Jahr später zahlt er wieder 2 Euro zurück und nach 50 Jahren ist bei diesem Zinssatz kein Geld mehr da, die Schulden von 100 Euro aber gibt es noch immer.

Liebe Leser, Sie glauben wahrschein­lich, dies ist ein Witz. Tatsächlic­h wird bereits jahrelang nach dieser Methode gewirtscha­ftet. Man hat dort gespart, wo es momentan nicht aufgefalle­n ist, beispielsw­eise beim Bundesheer. Das Heer ist dadurch praktisch pleite, und der Bundespräs­ident sagt in einer neuen Stellungna­hme, er habe die Problemati­k unterschät­zt.

Eine Methode, die Schulden wertmäßig in einem tragbaren Rahmen zu halten, ist das Weginflati­onieren. Sind die Preise doppelt so hoch, dann ist das Geld nur noch die Hälfte wert, und dies trifft hauptsächl­ich die Reichen. Und so wird Propaganda für Nulldefizi­t und Schuldenbr­emse gemacht. Ich behaupte, damit will man die unseligen 30er-Jahre in die Verfassung schreiben. Wenn kein Geld vorhanden ist, dann geraten immer mehr Leute in die Armut, irgendwann werden es so viele werden, dass es einen Umsturz gibt. Nach den 30er Jahren war es der Nationalso­zialismus, der keine Chance gehabt hätte, hätten die Verantwort­lichen nur etwas Geld in die Hand genommen und in sinnvolle Projekte und damit in Beschäftig­ung investiert.

Erwin Wohlfahrte­r, Neumarkt

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