Täuschungen in Cecilias Spiegelreich
Salzburger Festspiele: Händels Oper „Alcina“, Bartoli, Michieletto, Capuano Eine betörend schöne Frau auf Männerjagd! Alcina, Magierin und Herrin ihrer künstlichen Insel der Verführung, Lust und Liebe, sammelt Helden wie andere Briefmarken. Und wenn sie
In der Antike verwandelte das Monster Circe Männer in Schweine. Alcina ist subtiler: Ihr reicht’s, ihre Opfer mit einem Liebeszauber zu Sexsklaven zu machen und – sobald sie abgenützt sind – zu verzaubern. In Pflanzen, Tiere, Felsen.
Auch der Held Ruggiero sitzt in der Sexfalle und muss von seiner Verlobten Bradamante und seinem Erzieher aus der Loveaffair befreit werden. Was mit List, Lügen und Täuschen, einige der wichtigsten Aspekte der Oper, gelingt. Am Ende bannen sie gemeinsam Alcinas Zauberkräfte, zerstören ihr Reich der Illusionen und befreien die verzauberten Männer. Fehlte nur noch, dass die Herren #MeToo-Prozesse anstrengen . . .
Händels 1735 in London uraufgeführtes Dramma per musica (nach Ariosts „Orlando furioso“und Broschi) im Haus für Mozart: Wieder steht die Diva Cecilia Bartoli, Intendantin des Pfingstfestivals, als Alcina im Mittelpunkt. Und wie stets betört „La Bartoli“ihr Publikum durch den Reiz der nachgedunkelten Stimme, durch ihre sechs, auf ihre Art perfekt gesungenen Arien und Koloraturen – Höhepunkte: „Ach, mein Herz! Du wirst verhöhnt“, „Ihr bleichen Schatten“und „Mir bleiben nur die Tränen“–, aber auch durch Persönlichkeit und Ausstrahlung. Langer Jubel.
Unter Gianluca Capuano bemühen sich die Musiciens du Prince-Monaco, um Präzision, Eleganz und Transparenz. Brillant singt Philippe Jaroussky Alcinas Liebhaber Ruggiero und trifft die Balance zwischen poetischen Teilen – etwa in der Arie „Grüne Wiesen, liebliche Wälder“– und dramatischer Attacke perfekt. Sandrine Piau ist eine temperamentvoll für ihre fatale Liebe zu Ricciado, die verkleidete Verlobte Ruggieros, kämpfende Morgana, nobel Verhalten Kristina Hammarströms Bradamante, Christoph Strehls Oronte und Alastair Miles’ Erzieher Melisso. Jubel erntete der Wiener Sängerknabe Sheen Park als Oberto.
Nicht jeder war von Damiano Michielettos Inszenierung begeistert, der die Geschichte in der Halle eines (Horror-)Hotels, gebaut von Paolo Fantin, ansiedelt. Überzeugend ist seine Personenführung. Hinter einer Glaswand vegetieren die verzauberten Männer, über denen zuletzt ein Hagel von Spiegelscherben niedergeht, wenn die Spiegelwelt Alcinas zerbricht.