„Ich möchte nicht bemitleidet werden. Denn es geht mir ja gut.“
Tom Gschwandtner sitzt in seinem Rollstuhl, vor dem Balkon seiner hübschen Wohnung in Horn. Die Terrassentüre ist offen, neben ihm steht ein Ventilator, der kalte Luft auf ihn bläst. „Eine Vorsichtsmaßnahme“,
sagt der Niederösterreicher, „denn bei hohen Temperaturen bin ich in Gefahr, einen Hitzeschock zu bekommen.“
Die Schweißdrüsen des 50-Jährigen sind gelähmt, wie alle seine Organe und Gliedmaßen, „ab dem sechsten Halswirbel.“Er würde nicht einmal spüren, wenn ein Knochen bräche, „mein Körper kennt einfach kein Schmerzgefühl mehr.“
Seit dem 10. September 1995. Tom Gschwandtner hatte damals einen lustigen Abend in einem Bierlokal verbracht, mit seiner Freundin und dem Mann seiner Schwester. Am Ende stiegen sie alle in das Auto des Schwagers: „Er war betrunken – und zu schnell unterwegs.“In einer Kurve kam der Pkw von der Fahrbahn ab und stürzte in eine Böschung. Die anderen Insassen wurden nicht besonders schwer verletzt: „Aber ich war am Rücksitz eingeklemmt.“
„Ich empfand nie Wut“
Seine Einlieferung in ein Spital, Operationen, danach Monate in einer Reha-Klinik: „Wo ich lernte, zu sitzen, die Arme ein bisschen zu bewegen. Und zu essen.“
Gedanken daran, sein Leben wäre sinnlos geworden, seien nie in ihm gewesen: „Ich habe schnell beschlossen, mich mit meiner Situation abzufinden – und das Beste daraus zu machen.“Wut gegen den Unfalllenker hätte er nie empfunden: „Es war ja meine Entscheidung, mich in seinen Wagen zu setzen. Somit trifft ihn keine Schuld“an der Tragödie, die Tom Gschwandtner nie als eine solche gesehen hat. Und er wird nicht müde zu betonen: „Ich bin kein Opfer.“
Nach dem Drama heiratete er, wurde zweifacher Vater; er machte Karriere, als Grafiker, Texter, Karikaturist. „Und ich arbeitete an mir.“Psychisch – und körperlich. „Ein Auto bedienen, alleine durch die Gegend fahren zu können bedeutet unendliche Freiheit für mich.“
„Ja, ich bin glücklich“
„Ich habe nie meine Selbstständigkeit verloren“, sagt er. Und als es in seiner Ehe „immer mehr kriselte“, wagte er eine Trennung. „Ich habe jetzt eine neue Partnerin und bin mit ihr auf Wolke 7. Kürzlich verbrachten wir gemeinsam einen tollen Urlaub.“In Italien, mit seinen und ihren Kindern. Er war da – wieder einmal – mit Wünschen, „die andere an mich stellen“, konfrontiert: „Ich sollte eine Bootsfahrt mitmachen.“Er lehnte ab: „Ich wollte keinen Aufwand verursachen.“Das Glück, „es ist auch in einfachen Dingen zu finden, für mich: In diesem Fall – am Strand zu sitzen und meine Familie zu beobachten, wie sie, draußen am Meer, Spaß hat.“
Fragt sich Tom Gschwandtner manchmal, wie alles wäre, wenn er noch gehen könnte? „Nein. Mein Leben ist, wie es ist. Und das hat schon seinen Sinn so.“
Ich habe damals, als ich die Diagnose erfuhr, beschlossen, mich mit meiner Situation abzufinden – und das Beste daraus zu machen. Ich denke, das ist mir gelungen.
Tom Gschwandtner über sein Dasein