Indien: Zwischen Kaschmir und der nationalen Frage
Seit 1947 beschäftigt der Konflikt um die Region im Norden des Landes die Politik. Premier Modi will ihn nun endgültig lösen. Was bedeutet sein Kurs für die Zukunft?
Ein großes „Howdy, Modi!“erschallt Sonntagnacht im NRGStadion von Houston, Texas. Etwas mehr als 50.000 Zuschauer wurden erwartet, wenn der indische Premierminister Narendra Modi auf Einladung der hiesigen indischen Community eine Rede in den USA hält. Und wer kommt als Special Guest: US-Präsident Donald Trump. „India first“trifft „America first“.
„Ein optischer Aufputz“, sagte Nilova Roy Chaudur, Journalistin bei SPS India. Für Trump ist es eine nicht zu unterschätzende Wahlkampfveranstaltung. Indischstämmige Immigranten gehören zur wohlhabendsten und am besten ausgebildeten Volksgruppe in den USA und wählen die Demokraten. Die Chance, im fremden Teich zu fischen, lässt sich Trump nicht entgehen. „Für Modi ist es eine Prestigesache mit Signalwirkung, wenn er mit Trump auftritt. Daheim wie auch international.“Eine Bühne wie diese bietet sich, um die Vorkommnisse in Kaschmir ins richtige Licht zu rücken. So die These.
Hindu-Nationalismus: Tatsache oder „Konstrukt des Westens“?
Nicht nur in Houston. Am 25. September treffen sich Trump und Modi erneut für ein Arbeitsgespräch in New York. Kaschmir wird Thema sein.
Kaschmir hat mit 222.000 Quadratkilometern fast zwei Drittel der Größe Deutschlands. Am 5. August hat die indische Regierung in „ihrem“, mehrheitlich aber von Muslimen bewohnten, besetzten Teil (siehe Datenkasten und Grafik) die Autonomie-Rechte aufgehoben. „Für die Bevölkerung dort ist das ein Vorteil“, heißt es aus Regierungskreisen. „Die Kaschmiri haben nun dieselben Rechte wie alle anderen Inder auch.“Die Zustimmung in Indien für Modis Politik ist hoch. Experten sehen eine weitere Bestätigung für den hindu-nationalistischen Kurs. Indiens Ex-Geheimdienstchef Asif Ibrahim (der erste Muslim auf diesem Posten) bestätigt das und bezeichnet es als „Gefahr“. Nandan Unnikrishnan vom
regierungsnahen Thinktank ORF (Observer Research Foundation) bezeichnet die Formulierung Hindu-Nationalismus als „Konstrukt des Westens“. Fakt ist, dass Modi der radikal-hinduistischen Kaderschmiede RSS (Rashtriya Swayamsevak Sangh; auf Deutsch: „Nationale Freiwilligenorganisation“) entstammt, die in der regierenden BJP ihren politischen Arm hat. Viele streben eine Wiedervereinigung an. Mit Kaschmir. Manche sogar mit Pakistan. Andere wieder sind für die Koexistenz. Friedlich oder auch nicht. Eine nationale Frage.
Militär und RSS als Hindernis für den Khan-Modi-Dialog
Kaschmir gilt als interne Angelegenheit. „Modi hat kein Interesse an einer Internationalisierung des Konflikts“, sagt Unnikrishnan zur „Krone“. Einen Wunsch – so behauptete Trump im Juli – nach Mediation im Kaschmir-Konflikt durch den US-Präsidenten hat Delhi brüsk zurückgewiesen. Indiens Politik will eine friedliche sein. So behauptet ein hochrangiger indischer Diplomat im Vier-Augen-Gespräch mit der „Krone“: „Es ist absoluter Irrsinn zu glauben, Indien und Pakistan wollen einen Krieg.“
Mit dem Ex-Cricket-Star Imran Khan hat Pakistan einen Regierungschef, der auch in Indien populär ist. Und Modi ist ein brillanter Kommunikator. Die Basis zum Dialog wäre da. Was hindert die beiden also daran? Khan das mächtige pakistanische Militär und Modi der RSS. Momentan scheint eine friedliche Lösung wieder einmal in weite Ferne gerückt.