Tanz in den Unsinn
Ein Totalausfall am Volkstheater
Im Vorjahr hat sich das Volkstheater mit wechselndem Glück dem klassischen Dramenrepertoire verschrieben. Jetzt wurde ein scharfer Schwenk zur Romandramatisierung vollzogen: Auf Doderers „Merowinger“folgt angeblich die Sozialtragödie „Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss“nach Horace McCoy. Ein Unterfangen des puren Widersinns.
Der Amerikaner McCoy reagierte mit dem 1935 erschienenen, auch großartig verfilmten Roman auf die Weltwirtschaftskrise der Dreißigerjahre. Er war selbst einer der Verlierer, die von Tag zu Tag dem Überleben hinterherhetzten. Das Vehikel seiner Anklage ist ein über Hunderte Stunden ausgetragener Tanzwettbewerb, der den Teilnehmern bis zu ihrem Ausscheiden zumindest eine warme Mahlzeit am Tag garantiert. Also wirft sich ein Trupp Verzweifelter in einen mörderischen Gladiatorenkampf.
Daraus ließe sich in Zeiten des strauchelnden Fresskapitalismus und der immer perverseren Unterhaltungsformate schon etwas machen. Aber die verhaltensoriginelle Volkstheater-Dramaturgie und der sonst schätzenswerte Regisseur Milos Lolic wurden von einer fatalen Eingebung gerammt: Die Schauspieler entsinnen sich, dass sie Schauspieler am Volkstheater sind und spielen daher statt McCoy ein unmotiviertes Szenenbündel aus Werken von Shaw, Schnitzler, Brecht oder Jelinek, alles peinlich improvisiert und unterhoben mit Schulfunktexten zur Volkstheatergeschichte. Die guten Schauspieler werden grausam vorgeführt, es entsteht der Eindruck eines Theaters, das nicht mehr ein und aus weiß.