Ist eine Weichenstellung durch den UN-Klimagipfel in New York gelungen? Und welche Rolle spielt Greta Thunberg?
Wer nicht in New York dabei ist, so wie ich – und wie würde ich als Wissenschafterin meine anreisebedingten Treibhausgasemissionen zu einem politischen Gipfel in NY rechtfertigen? –, muss sich auf Berichte von dort Anwesenden verlassen. Was Anwesende übereinstimmend berichten, ist, dass vor Ort Aufbruchsstimmung herrscht, und der Druck der Jugend zu spüren ist.
Wie wichtig das ist, wissen wir von der Klimakonferenz in Paris 2015. Es ist diese Stimmung, die das Klimaabkommen derart beflügelt hat, dass es in Rekordzeit von den Parlamenten aller Staaten ratifiziert wurde. Es war diese Stimmung, die so weit getragen hat, dass die Teilnehmer der Klimakonferenz in Marrakesch, ein Jahr später, als die Nachricht von der Wahl des Klimaleugners Donald Trump zum nächsten Präsidenten der USA in die Tagung platzte, spontan mit „jetzt erst recht“reagiert haben.
In den Jahren seither ist die Begeisterung wieder abgeflaut – ein natürlicher Vorgang. Die Mühen des Alltags haben zermürbt: All die Einwände, all die Schwierigkeiten, all die skeptischen Menschen, die nicht angesteckt waren von der Euphorie . . . da ist Begeisterung schwer aufrechtzuerhalten. Umso wichtiger, dass das Treffen in NY die Begeisterung wieder neu anfacht.
Dass in New York nur Vertreter von Staaten zu Wort kommen, die reale Nachbesserungen ihrer bisherigen Zusagen mitbringen, ist ein guter Schachzug des einladenden UNO-Generalsekretärs Guterres. Es wird für Betroffene und die Weltöffentlichkeit klar, wer das Thema ernst
nimmt und wer noch Nachholbedarf hat. Völkerrechtlich bindende Beschlüsse kann diese Konferenz nicht fassen, aber auch im Privatleben fühlt man sich oft stärker durch völlig informelle Zusagen gebunden als durch vertraglich Verbrieftes: Wer möchte schon einen Menschen, den er schätzt, enttäuschen? Schon gar nicht will man einem vermeintlichen Gegner Anlass zur Kritik geben. Daher hält man sich an Vereinbarungen.
Ähnlich ist es auch in der Staatengemeinschaft: Es ist unangenehm, zugeben zu müssen, dass der eigene Staat noch nicht so weit ist. Es wäre schöner, wenn man sagen könnte: Österreich, mit seiner atemberaubenden Natur, mit seinem ausgeprägten Umweltbewusstsein, seiner Kreativität und mit seinen großzügigen Menschen, zählt zu den Vorreitern im Klimaschutz. Die Österreicher sind bekannt für großzügige Spenden bei Katastrophen – Nachbar in Not ist ein alljährlicher Beweis dafür. Wie schön wäre es, wenn unser Beitrag zum internationalen Klimafonds, der nicht nur anderen hilft, sondern uns selbst auch schützt, unserem Ruf als hilfsbereit gerecht würde?
Wie der Bundespräsident sinngemäß sagte – was nicht ist, kann noch werden. Es ist wichtig, dass die Bundeskanzlerin und die sie begleitenden Minister erleben, wie der Generalsekretär der UNO, wie andere, größere und kleinere, reichere und ärmere Staaten denken und handeln.
Und was ist die Rolle von Greta Thunberg? Sie hat der Klimakrise ein Gesicht gegeben. Sie spricht eine klare Sprache, die jeder versteht, und sie meint ernst, was sie sagt. Sie hat Millionen junger Menschen durch ihr Beispiel überzeugt, dass sie nicht hilfund bedeutungslos sind, sondern dass auch sie Verantwortung übernehmen und Zukunft gestalten können. Vor zwei Jahren bei der Nationalratswahl in Österreich war Klimawandel kein Thema – jetzt ist es ein dominierendes. Greta Thunberg wäre wahrscheinlich glücklich, würden wir alle, auch die Medien, uns weniger mit ihrer Person und mehr mit ihrer Botschaft beschäftigen.
Wurden in NY Weichen gestellt? Ja. Sind es die entscheidenden? Das kann nur die Zukunft beantworten. Historiker der Zukunft werden vielleicht sagen: Der Klimagipfel von UNO-Generalsekretär António Guterres 2019 brachte die Wende. Aber ich bezweifle es. Die Selbstverpflichtungen der Staaten reichen bei Weitem nicht aus, um den Temperaturanstieg global unter 1,5° C gegenüber vorindustriellem Niveau zu halten. Es dominiert im politischen und wirtschaftlichen Diskurs immer noch das „Mehr“statt dem „Besser“, der Lebensstandard statt der Lebensqualität.
Die jungen Menschen müssen wohl weltweit noch dran bleiben und immer wieder mahnen, dass es nicht genug ist, was wir tun. Die entscheidende Weichenstellung steht noch aus, aber New York brachte eine Ermutigung auf dem Weg.