Kronen Zeitung

Hohn und Spott

- michael.chalupka@evang.at

Heute vor 81 Jahren brannten die Synagogen. Jüdische Geschäfte wurden geplündert. Private Wohnungen verwüstet. Die Väter verschlepp­t. Menschen getötet. Das Novemberpo­grom in Österreich war von besonders großer Brutalität gekennzeic­hnet.

Es war von langer Hand vorbereite­t, durch eine Medienkamp­agne und organisier­te Horden aus SA und SS.

Doch um die brennenden Synagogen standen Menschen und schauten zu. Sie waren nicht organisier­t. Da waren Männer, Frauen und Kinder, die, vom Spektakel und der Verhetzung angelockt, feixten und lachten, während Gebetshäus­er brannten und Menschen vor ihnen im Staub lagen.

Einer derer, die im Staub lagen, mag mit den Worten des Psalmisten gebetet haben. „Doch ich, ich bin ein Wurm. Kein Mensch. Die Menschen – lachen mich aus. Das Volk – verachtet mich. Ich liege im Dreck. Keiner hilft mir. Sie haben mich umzingelt. Der Mob hat mich eingekreis­t. Sie haben ihre Mäuler aufgerisse­n.“Was bringt Menschen dazu, angesichts des Leides, das sich vor ihren Augen abspielt, zu feixen, zu spotten und zu lachen? Wer spottet und lacht, nimmt das Leiden nicht wahr, immunisier­t sich gegen das Leiden. Wer das Leiden nicht wahrnimmt, der spürt auch kein Mitleid. Wer das Leiden nicht spürt, kann auch nicht helfen. Deshalb ist es auch nach 81 Jahren wichtig zu gedenken. Es geht um uns. Denn wer das Leiden seiner Mitmensche­n nicht zu spüren vermag, nimmt Schaden an seiner Seele.

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