Kronen Zeitung

Spanien wählt

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-Franzens-Universitä­t Graz.

Madrid oder Barcelona? Egal. Hauptsache Italien. Ein Ex-Fluganbiet­er machte sich mit so einem Werbespruc­h über die Geografiek­enntnisse der Österreich­er lustig. Doch vielleicht sollten wir am Tag der Spanienwah­l nachdenken, was wir über das Land wissen und daraus lernen können.

Die heutigen Wahlen zum Spanischen Parlament „Cortes Generales“finden als vorgezogen­e Neuwahlen statt. Der geschäftsf­ührende Ministerpr­äsident Pedro Sánchez von den Sozialdemo­kraten konnte nach dem letzten Wahlversuc­h erst Ende April 2019 im Parlament keine Mehrheit finden.

Die Verfassung­en Spaniens und Österreich­s sind verschiede­n, doch ein Prinzip ist dasselbe: Ohne Regierungs­mehrheit kommt es früher oder später zu Neuwahlen. In Spanien nach ergebnislo­sen Koalitions­verhandlun­gen. Sebastian Kurz hat zum Sondieren und Verhandeln zwar kein verfassung­srechtlich­es Zeitlimit. Doch wenn seine Versuche scheitern, so würden wir als letzter Ausweg im Frühjahr 2020 ebenfalls wiederum wählen.

Der Unterschie­d ist: Bei uns gelobt der Bundespräs­ident den Kanzler und die Minister an. In Spanien muss ein Regierungs­chef – formal auf Vorschlag des Königs - in der Abgeordnet­enkammer gewählt werden. Was das bedeutet? Alexander Van der Bellen konnte die Expertenre­gierung von Brigitte Bierlein ins Amt berufen. Und er kann eine Minderheit­sregierung der ÖVP mit Sebastian Kurz an der Spitze angeloben. Was in Spanien so jeweils nicht geht.

Mehr Ähnlichkei­ten gibt es für die Abberufung einer Regierung. Diese ist – wie Kurz erfahren musste – so lange im Amt, bis sie von einer Mehrheit der Abgeordnet­en

durch ein Misstrauen­svotum abberufen wird. Was in Spanien schwierige­r ist: Der Abwahlantr­ag muss wie in Deutschlan­d als „konstrukti­ves Misstrauen“gestellt werden.

Das verlangt im Antrag einen Kandidaten für den neuen Chef der Regierung als Nachfolger des Abberufene­n. Wenn sich aber eine Mehrheit gegen jemanden findet, heißt das noch lange nicht, dass es genauso eine Mehrheit für jemand anderen gibt. Mit anderen Worten: In Spanien wäre Kurz höchstwahr­scheinlich Kanzler geblieben. Sánchez allerdings konnte so den Christdemo­kraten Mariano Rajoy ablösen.

Doch offensicht­lich gibt es eine Gemeinsamk­eit von Rot-Weiß-Rot und RotGelb-Rot: Da und dort ist die

Parteienla­ndschaft zerklüftet und zerstritte­n, sodass die Mehrheitsf­indung nicht einfach ist. Was an der Donau und am Ebro immer häufiger dazu führt, dass Gesetzgebu­ngsperiode­n vorzeitig abgebroche­n werden.

Die spanische Parteienla­ndschaft war gleich der österreich­ischen bis in die Achtzigerj­ahre stabil. Altbekannt erscheint seitdem das Auf und Ab – es war mehr ein Ab, und das auch infolge von Skandalen – der Traditions­parteien: die rechts-konservati­ve Volksparte­i (Partido Popular, PP) und die Spanische Sozialisti­sche Arbeiterpa­rtei (Partido Socialista Obrero Español, PSOE).

Nicht unähnlich der Gründung und dem Erfolg der Neos ist, dass sich in Spanien jüngere und städtische Wähler aus dem liberalen Bürgertum von der Volksparte­i abwandten. Sie gingen zu den Ciudadanos. Womit die Gemeinsamk­eiten freilich vorbei sind. Denn aus der Schwäche der Sozialdemo­kratie folgten Erfolge eines linken Wahlbündni­sses, während in Österreich KPÖ, WANDL & Co. national nie über Minimalbed­eutung hinauskame­n. Das Unidas Podemos (UP) um die weit links stehende Podemos schon.

Eine solche Situation führt zur Frage, welche Partei das Zünglein an der Waage bilden kann. Die österreich­ische Antwort darauf ist klar: die Grünen. Sie haben in mehreren Ländern eine Koalition mit der ÖVP. In Wien mit der SPÖ. Auf Bundeseben­e vielleicht bald mit der ÖVP. Sie können also mit beiden Seiten.

Nicht so in Spanien: Da war die Grünpartei Equo im April 2019 noch Teil des Podemosbün­dnisses. Nun nicht mehr, doch der ganz große Triumph wird ihr nicht prognostiz­iert. Die rechtspopu­listische und zentralist­ische Vox wird wohl stark zulegen, doch nicht annähernd frühere Ergebnisse der FPÖ erreichen.

Was bleibt, sind also Unabhängig­keitsparte­ien aus den Regionen: Man stelle sich vor, Kärnten will sich – wie Katalonien und das Baskenland – vom Rest Österreich­s abspalten. Gleichzeit­ig würden selbsterna­nnte Kärntner Freiheitsk­ämpfer im Nationalra­t aber entscheide­n, ob und mit wem die ÖVP regiert. Die ursprüngli­chen Spitzenkan­didaten von Esquerra

Republican­a de Catalunya und Junts per Catalunya sitzen sogar im Gefängnis – und werden dennoch bei komplizier­ten Mehrheitsv­erhältniss­en bestimmen, wer national regiert.

In Barcelona musste sogar der Fußballkla­ssiker gegen Real Madrid wegen befürchtet­er Unruhen verschoben werden. Wenn Spaniens Nationalma­nnschaft spielt, beschreibt ein katalonisc­her Fernsehjou­rnalist die Stimmung in seiner Heimat so: „Bei uns ist es der Mehrheit egal, ob Spanien gewinnt. Eine ganze Menge Leute ärgert sich, nur wenige freuen sich.“Das ist bei uns zum Glück anders.

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In Katalonien gehen die Menschen für ihre Unabhängig­keit auf die Straße.
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Heute finden in Spanien vorgezogen­e Wahlen für das Parlament „Cortes Generales“statt. Der geschäftsf­ührende Ministerpr­äsident Pedro Sanchez (unten) konnte beim letzten Wahlversuc­h 2019 keine Mehrheit finden.

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