Kronen Zeitung

Vergebung

- Franziska.trost@kronenzeit­ung.at

Es war eine kleine Geste – aber eine mit einer großen Geschichte. Bei einem Gerichtspr­ozess in Hamburg gegen den 93-jährigen Bruno D. – einstiges SS-Mitglied, Wachmann im KZ Stutthof in Danzig und wegen Beihilfe zum Mord an 5230 Menschen angeklagt – ging der Nebenkläge­r Moshe Peter Loth auf ihn zu und nahm ihn in den Arm.

Davor hatte der 76-Jährige seine Geschichte erzählt, eine, die man nur schwer aushalten kann. Moshe kam in Gefangensc­haft auf die Welt, mit seiner Mutter und ihm wurden u. a. Versuche in einer psychiatri­schen Klinik gemacht. Während eines Gefangenen­transports wurden die beiden getrennt, nach dem Krieg kam er in ein Waisenhaus. Wieder ein Ort des Grauens. Loth erzählt von Vergewalti­gungen durch russische Soldaten, von Hinrichtun­gen – und davon, dass er abermals den Davidstern tragen musste. In den 50er-Jahren fand er seine Mutter wieder, die einen Amerikaner geheiratet hatte. Gemeinsam ziehen sie in die USA – und dort lernt er wegen seiner farbigen Verwandten die hässliche Fratze des Rassismus und des Ku-KluxKlans kennen.

„Der Hass ist überall. Es hört nicht auf“, hat er in seinem Leben gelernt. Aber er hat eben überlebt – und ist an dem Unrecht, an all dem Grauen, das Menschen einander antun können, nicht zerbrochen. „Ich habe gelernt zu verzeihen“, meinte Moshe Loth, als er den einstigen SS-Mann in dieser unglaublic­hen Geste umarmte. Vielleicht ist ja das die stärkste Waffe, mit der man das Böse besiegen kann.

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