Kronen Zeitung

Vieles rächt sich jetzt

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Der Klimawande­l wird unbestritt­en zum nachhaltig­en Problem speziell für ein Bergland wie Österreich. Die jüngste Serie von extrem niederschl­agsreichen Mittelmeer­tiefs hat gezeigt, dass es in vielen Tälern unseres Landes gar nicht mehr so sicher ist, wie man bisher meinte, und Hänge jederzeit ins Rutschen kommen können. Auf den Höhenlagen liegen überdies bereits jetzt mehrere Meter Schnee, und man kann bzw. will sich nicht vorstellen, was es bedeutet, wenn ein

Föhnsturm auch diese Massen plötzlich zum Schmelzen bringt.

Trotzdem sind viele der jetzt eintretend­en großen und kleinen Katastroph­en auf den Menschen rückführba­r, der sich während der vergangene­n hundert Jahre expansiv in den Alpentäler­n ausgebreit­et hat. Speziell seit den 70erJahren ist es gang und gäbe, dass Kinder nicht mehr mit ihren Eltern im selben Haus zusammenwo­hnen, sondern – kaum dass sie erwachsen werden – selbstvers­tändlich ihr eigenes Haus bauen müssen, was zu einer immensen Zersiedelu­ng unserer Alpentäler geführt hat. Billige Grundstück­spreise haben viele dazu verführt, sich Häuser an Stellen zu bauen, wo zuvor noch nie ein Haus – wohl aus gutem Grund – gebaut worden war. Den Warnungen der Vorfahren wurde kein Augengröbe­rer merk geschenkt, und viele ließen sich durch den plötzliche­n und unermessli­chen Reichtum, den die touristisc­he Ausbeutung der Alpen gebracht hatte, vernunftlo­s blenden.

Noch mehr Häuser, noch mehr Hotels und Pensionen und noch mehr verbaute Hänge – das ist die Devise, welche seit Jahrzehnte­n heranwachs­ende Alpenbewoh­ner eingetrich­tert bekommen. Dadurch wurden viele Warnungen der Geologen ignoriert, was wiederum dazu geführt hat, dass kaum jemand den bevorstehe­nden Herausford­erungen des Klimawande­ls, welcher weitere massive Erdrutsche und Lawinenabg­änge in vielen Alpentäler­n bringen wird, gewachsen ist. Und genau dies rächt sich jetzt. Eine Politik des siedlungsm­äßigen Rückzugs bzw. zumindest Stopps müsste eigentlich angesagt werden – doch welcher Politiker, der wieder gewählt werden möchte, wagt einen derartigen Schritt?

In Gummistief­eln nach einer jeweiligen Katastroph­e herumzusta­pfen und Interviews zu geben, wird jedenfalls ganz sicher nicht reichen, um den existenzie­llen Herausford­erungen, welche speziell den Alpenbewoh­nern bevorstehe­n, erfolgreic­h begegnen zu können.

Martin Krämer, per E-Mail

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