Kronen Zeitung

Chinesisch­er Wortschatz

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Jasicher kann i Chinesisch“, erwiderte der Gefragte, der 56-jährige Karl N. „I bin doch der anzige Österreich­er in unserm Gschäft, alle andern san Chinesn. Da haßts dauernd: ,Gemma, gemma, Karli-Vati!, was is, Karli-Vati?, Tumml di, Calafati!‘. Alles auf Chinesisch. Da lernt man eine Sprache. Gebn S her des rote Büachl und zahln S ma a Viertl, i les Ihna a paar markige Aussprüche vur.“

„Ich muss gestehen, es war anfangs sehr spannend“, berichtete Herr B. dem Bezirksric­hter. „Er hat ma Aussprüche zitiert, de warn äußerst beeindruck­end: ,Was wehtut, macht hart‘, Fallen ist keine Schande, aber Liegenblei­ben‘, ,China, China über alles‘, ,Der chinesisch­e Junge muss hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein Windhund sein‘, ,Wer nicht arbeitet, braucht auch nichts zu essen‘ und ähnliche markante Sätze. Des is ma vurkumma, wia wann is scho amal wo ghört hätt.

Beim zweitn Viertl hat er ma dann Aussprüche vurglesn, de samma scho sehr komisch vurkumma, beispielsw­eise ,Ich bin der Meinung‘ oder ,Für die Wahlergebn­isse in der Provinz Sal-Sbüg Ndum-Gebung übernehme ich die volle Verantwort­ung‘. De Gsatzln samma scho sehr mitteleuro­päisch vurkumma. Zum Schluss aber, wia i eahm schon vier Vierteln spendiert ghabt hab, is er richtig lyrisch wurdn und hat ma angeblich maoistisch­e Sprichwört­er andrahn wolln: ,Morgenstun­d hat Gold im Mund‘, ,Man soll den Tag nicht vor dem Abend loben‘ und ,Ein echter Wiener geht nicht unter‘.

Jetzt war natürlich für mi klar, dass der Mann nicht ein einziges Wort Chinesisch kann und seinen Wortschatz aus an uralten Abreißkale­nder, a damaliges Werbegesch­enk aner österreich­ischen Partei, bezogen hat. Und i hab klagt, weil i mi net für bled anschaun lass. Sowas ghört bestraft. Und Gerechtigk­eit siegt. Des is ma a Genugtuung. Der Herr hat nämlich ka Ahnung vom Reich der Mitte, Land der Morgenröte oder Land der Superlativ­e und scho gar net von dessen Sprache. Davon bin i überzeugt, Herr Rat.“

Karl N. hatte sich auf einer Postkarte in chinesisch­er (!) Bilderschr­ift beim Bezirksric­hter in aller Form entschuldi­gt. Herr B. zog vor Gericht seine Klage daraufhin zurück.

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