Medizin fürs Gehirn
Ein Forscherteam am AIT entwickelt neue Wege, um die Blut-Hirn-Schranke zu überwinden
Für viele Erkrankungen im Gehirn gibt es kaum geeignete Medikamente, und wenn welche entwickelt werden, gelangen diese selten an ihren Bestimmungsort. „,Schuld‘ daran ist die Blut-Hirn-Schranke, eine biologische Barriere, die ganz genau reguliert, was ins Gehirn hinein darf und was nicht“, erklärt Dozent DI Dr. Winfried Neuhaus vom Austrian Institute of Technology (AIT) in Wien. Das sei für die Funktion und das Überleben der Nervenzellen im Gehirn absolut notwendig, führt aber auch dazu, dass weniger als fünf Prozent der Wirkstoffe, die für das Gehirn bestimmt wären, letztendlich ins Gehirn gelangen.
Für die Therapie vieler Erkrankungen, wie zum Beispiel Alzheimer oder Epilepsie, stellt diese Barriere ein großes Problem dar. „Die Transportfunktion der Blut-Hirn-Schranke ist nämlich bei vielen Erkrankungen verändert. Das wollen wir besser verstehen und dann ausnutzen, um neue Routen für den Übertritt von Medikamenten ins Gehirn zu finden und somit bessere Therapien zu ermöglichen“, so Neuhaus.
Er identifiziert zuerst mit seiner Arbeitsgruppe neue Transportwege für Medikamente mittels Untersuchungen an menschlichem Gewebematerial. Um diese neu entdeckten Transportmechanismen genauer aufzuklären, verwenden die Forscher dann Zellkulturmodelle, die auf sogenannten humanen induzierten, pluripotenten Stammzellen basieren.
„Dabei handelt es sich um Stammzellen, die aus verschiedenen bereits reifen Zellen durch Zugabe eines ,Cocktails‘ von Stimulationsfaktoren in Stammzellen zurückverwandelt, also induziert, werden. Wir können diese Stammzellen so züchten, dass sie in Zellkulturen eine menschliche Blut-HirnSchranke nachbilden. Wenn solche Stammzellen zum Beispiel aus Hautzellen eines bestimmten Patienten produziert werden, können wir auf diese Weise für jeden Patienten seine eigene Blut-Hirn-Schranke herstellen und für die Identifikation personalisierter Therapiemaßnahmen verwenden“, erläutert der Molekularmediziner. Außerdem können die Wissenschafter mit diesen menschlichen ZellkulturModellen eventuelle Unterschiede zur Blut-HirnSchranke von Tieren darstellen und erklären, warum eine bestimmte Therapie zwar im Tiermodell funktioniert, aber nicht beim Menschen.
Diese Forschung unterstützt die EU unter anderem im Rahmen des Projekts IM2PACT.
In dieser Serie stellen wir Projekte von Spitzenforscherinnen und -forschern in Österreich vor. Ausgewählt werden sie von Prof. Dr. Georg Wick vom Biozentrum der Medizinischen Universität Innsbruck.
Wir können Stammzellen so züchten, dass sie in Zellkulturen eine menschliche Blut-Hirn-Schranke nachbilden.
PD DI Dr. Winfried Neuhaus