Gemeine Germanen
Burg: Kušejs „Hermannsschlacht“
Die erste eigene Inszenierung im neuen Amt, just nach Ablauf der Kritiker-obligaten dreimonatigen Schonfrist: Burgtheaterdirektor Martin Kušej setzt mit dieser aufwendigen Premiere hoch und risikoreich an. Heinrich von Kleists heikle „Hermannsschlacht“misslingt ihm zwar nicht ganz, ist aber von einem Ereignis ein erhebliches Stück entfernt.
Das Wagnis ist auch insofern ein demonstratives, als sich Vorvorvorvorgänger Peymann mit seiner „Hermannsschlacht“in die Geschichte eingeschrieben hat. Kleists Schauspiel um den Cherusker, der sich 9 n. Chr. der römischen Besatzungsmacht entledigt hat, gilt wegen seiner deutschnationalen Bekenntniswucht als unspielbar. Kleists Nationalismus richtete sich aber gegen den Imperialisten Napoleon, und so deuteten Peymann und der geniale Gert Voss die Ereignisse: als Triumph des Widerstands. Kušej gibt den naheliegenden Kommentar zur Gegenwart ab: Die Germanen sind die Bösen und geben sich am Schluss als Burschenschafter zu erkennen.
Markus Scheumann zeichnet einen glatten, fast gesichtslosen Rechtspopulisten, der eine primitive vorzivilisatorische Gesellschaft in barbarische Blutrituale gegen das Fremde manipuliert. In Kušej-obligater Finsternis mit runenhaftem Felsbesatz gelingen starke Bilder und beklemmende Gewaltszenen. Andererseits müht sich ein zum Teil sprechtechnisch überfordertes, unbeholfen deklamierendes Ensemble an der Parodiegrenze um Bloßfüßigkeit. Das schleppt sich. Hoch über dem schauspielerischen Standard des Abends zaubert indes die Wunderschauspielerin Bibiana Beglau ein Rätselwesen, halb Tier, halb Trampel, halb Sirene, halb Mata Hari.