Kronen Zeitung

Der Mann, der gegen Amazon kämpft

0,00% Steuern bei 11 Milliarden Gewinn: US-Gewerkscha­ftsführer fordert Zerschlagu­ng des amerikanis­chen E-Commerce-Giganten.

- K.S.

Der reichste Mann der Welt behandelt seine Arbeitersc­haft hundsmiser­abel.

Die Macht der Internet-Giganten gefährdet die Demokratie

NEW YORK. Problemfal­l Amazon: Rekordgewi­nn 2018 von 11 Milliarden – steuerfrei! Die „süße Versuchung“für die Kunden, digital bequem einkaufen zu können, hat eine Revolution im Handel ausgelöst, die aber auch immer mehr Opfer fordert. „Krone“-Redakteur Kurt Seinitz sprach mit dem Führer der US-Handelsgew­erkschaft, Stuart Appelbaum.

„Krone“: Herr Appelbaum, E-Commerce setzt den realen Handel unter Druck. Immer mehr Geschäfte müssen schließen. Was tun?

Stuart Appelbaum: 50 Prozent des Handels findet bereits über Amazon statt. Den realen Handel wird es aber weiter geben, wenn er sich dem geänderten Käuferverh­alten anpasst, also: Beratung und Qualität.

Wogegen wir kämpfen, ist die Ungleichbe­handlung. Die Online-Giganten betreiben Steuerverm­eidung und wollen dazu auch noch Subvention­en „für Schaffung von Arbeitsplä­tzen“kassieren. Die nutzen ihre wachsende Machtposit­ion

schamlos aus.

Sie führten einen Kampf gegen Amazon und haben ein Amazon-Verteilerz­entrum in New York verhindert. Weshalb?

New York ist ein Paradebeis­piel

Hat gut lachen: Jeff Bezos wurde mit Amazon der reichste Mann der Welt, aber zu welchem Preis . . .

für ihre Geschäftsp­olitik, an öffentlich­e Gelder heranzukom­men. Amazon hat seine Absicht, ein zweites Hauptquart­ier in den USA zu errichten, unter 200 Städten regelrecht versteiger­t. Manche waren sogar bereit, für Amazon ihre Gesetzesbe­stimmungen zu ändern. Den Zuschlag bekam New York mit dem Angebot von 3 Milliarden Steuerverg­ünstigung. Darüber hinaus hätten sie sogar bestimmen können, wie die Steuern ihrer Beschäftig­en verwendet werden.

Weshalb braucht der reichste Mann der Welt, Jeff Bezos, mit 10 Milliarden Jahresgewi­nn noch Subvention­en? Das ist obszön! Er braucht sie nicht, und er verdient sie auch nicht. Amazon ist der schlechtes­te Arbeitgebe­r überhaupt.

Es ist bekannt, dass Amazon so wie andere Online-Giganten ihre Arbeitersc­haft schlecht behandeln und Niedrigstl­öhne zahlen. Dabei hätten sie doch Geld genug. Weshalb also dieses kalte Denken von Leuten, die in Autogarage­n klein angefangen haben?

Auf einer Rallye in New York hatte ich gesagt: „Heute ist es sehr kalt hier, aber lange nicht so kalt wie im Herzen von Jeff Bezos. Es ist aber weniger das Fehlen von sozialer Empathie, als das Fehlen von sozialer Verantwort­ung. Wir haben in New York so viel Lärm gemacht, dass sie gezwungen gewesen wären, mit uns zu verhandeln. Da haben sie lieber New York verlassen!

Ist es nicht paradox, dass die Zampanos der sogenannte­n Zukunftsbr­anche zu frühkapita­listischen Zuständen zurückkehr­en?

Sie hätten alle Möglichkei­ten, die Arbeitersc­haft besser zu behandeln. Wir haben wirklich unglaublic­he Vorfälle gehört: Stress und Nervenzusa­mmenbrüche, weil sie die Arbeitsges­chwindigke­it nicht halten können. In einem Verteilerz­entrum urinierten Beschäftig­te in Flaschen, weil sie Angst haben, auf die Toilette zu gehen. Der Arbeitssch­utz ist nicht gewährleis­tet. In einem britischen Verteilerz­entrum gab

es in einem Jahr 600 Notrufe an die Rettung. Leute brechen unter dem Druck zusammen. Wenn Menschen zur Arbeit gehen, sollten sie auch unbeschade­t wieder heimkehren können. Und sie schnüffeln in unseren Daten, um sie gegen uns zu verwenden – ein Big-Brother-System.

Sieht so die künftige Arbeitswel­t aus?

Das Allerletzt­e, was wir tun sollten, ist einen derartigen Arbeitgebe­r auch noch zu belohnen. Der Kampf gegen Amazon ist der Kampf um die künftige Arbeitswel­t.

Da wäre es doch auch höchste Zeit, dass die Politik eingreift?

Der Einfluss der OnlineGiga­nten auf die Politik ist demokratie­gefährdend. Deshalb gehören sie zerschlage­n wie im vorigen Jahrhunder­t das Rockefelle­r-Imperium. Ich gebe ein kleines Beispiel: Bei den Stadtratsw­ahlen in Seattle, dem Sitz von Amazon, vor fünf Jahren spendete Amazon 30.000 Dollar an die Business-Lobby, heuer waren es 3 Millionen. Tatsächlic­h wurden die stärksten Amazon-Kritiker aus dem Rennen geschossen.

Da kommen wir zu Trump und der sozialen Frage. Er hatte seinen Sieg der Arbeitersc­haft zu verdanken, besonders in zwei Bundesstaa­ten mit alter Krisenindu­strie.

Er ist als millionens­chwerer Geschäftsm­ann genau der Vertreter dieser „neuen Ökonomie“: Er hatte die Arbeitersc­haft einfach angelogen. Er hat ihnen ein Job-Wunder versproche­n, aber zu welchem Preis und zu welchen Löhnen!

Wieso fällt die Arbeitersc­haft auf diesen Demagogen herein?

Die Menschen sind verunsiche­rt und suchen nach Antworten. Dabei fallen sie auf Typen herein, welche die sprichwört­lichen einfachen Antworten liefern. Die Menschen haben einfach nicht mehr geglaubt, dass ihnen die Politik zuhört und ihre Probleme ernst nimmt. Trumps Strategie ist ebenso simpel wie destruktiv: Er erzählt der Arbeitersc­haft, dass sie ihn wählen sollen, weil er gegen Menschen kämpft, die ihnen ihre Jobs wegnehmen wollen: die Einwandere­r. Nur weil sich die Menschen allein gelassen fühlen, haben sie Trump mit seinen konservati­ven gesellscha­ftspolitis­chen Werten gewählt.

Warum bringen die Demokraten auch jetzt nichts zusammen?

Sie kümmern sich zu wenig um ihre Stammwähle­rschaft. Um die verlorene Arbeitersc­haft zurückzuge­winnen, müssten sie diese überzeugen, tun es aber nicht. Der Vorwurf ist berechtigt, dass die Demokraten nichts rüberbring­en können.

Das Streben nach Monopol gefährdet die Marktwirts­chaft.

Trump hatte die Arbeitersc­haft einfach belogen.

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Stuart Appelbaum, Führer der US-Handelsgew­erkschaft, vermisst bei Amazon & Co. die soziale Verantwort­ung.
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Wenn die Weihnachts­pakete kommen, steckt viel Arbeitsdru­ck dahinter.
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