Kronen Zeitung

Ein Schauspiel­er tritt ab

- Josef Höller, per E-Mail

Beim für ihn wohl letzten EU-Gipfel zeigte der scheidende EU-Kommission­spräsident Juncker vor ein paar Tagen sein wahres Talent ganz offen: sein schauspiel­erisches Talent. Es war fast Oscar-verdächtig, als er: „Ich werde bis zum Ende meines Lebens stolz darauf sein, Europa gedient haben zu dürfen“sagte und dabei, von Rührung übermannt und den Tränen nahe, unterbrech­en musste. Und dass die EU gemeint war, obwohl er Europa sagte, darüber kann man großzügig hinwegsehe­n. Diese Verwechslu­ng gehört bei den EU-Schauspiel­ern einfach dazu. Und dass Juncker alles andere als bescheiden ist, das weiß man von ihm, und das bestätigte sich auch, als er sagte: „Es würde zu lange dauern, all die

Erfolge aufzuzähle­n, die ich hatte . . . “Oder früher einmal: „Ich nehme mit Vergnügen zur Kenntnis, dass es sehr schwierig ist, mich zu ersetzen . . . “

Bei einer Persönlich­keit wie Juncker ist es natürlich mit einer einzigen Abschiedsr­ede nicht getan. Deshalb trat er jetzt vor dem EU-Parlament ans Rednerpult, um auch hier eine aus seiner Sicht positive Bilanz zu ziehen. Er war aber doch so weit, zu sagen: „Ich scheide aus dem Amt, nicht betrübt, aber auch nicht übermäßig glücklich, aber im Gefühl, mich redlich bemüht zu haben.“Er zeigte dann aber den wahren Weg der EU auf, als er über wieder zunehmende­n Nationalis­mus schimpfte und meinte: „Bekämpft mit aller Kraft den dummen Nationalis­mus“. Soll heißen, Nationalst­aaten gehören abgeschaff­t. Und niemand von den Abgeordnet­en widersprac­h dieser Forderung. Und abgeschaff­t sollen ja auch die monokultur­ellen Gesellscha­ften werden, da sie der gewünschte­n, ja geforderte­n multikultu­rellen Gesellscha­ft im Wege stehen. Das wurde in der Abschiedsr­ede allerdings nicht erwähnt.

Es gab aber eine nicht geplante Einlage für Juncker: Eine EU-Abgeordnet­e holte einen Karton mit symbolisie­rten 500-Euro-Scheinen hervor und sprach die luxemburgi­schen Steuerspar- und „Steueropti­mierungs“-Modelle an, für die Juncker als langjährig­er Premiermin­ister und Finanzmini­ster von Luxemburg verantwort­lich war. Juncker hatte ja mit mehreren hundert multinatio­nalen Unternehme­n Verträge abgeschlos­sen, nach denen sie fast keine Steuern zu zahlen brauchten, Amazon z. B. zahlte nur etwa 0,5 Prozent Steuern. Durch diese Vorgangswe­ise verloren andere EUStaaten über die Jahre Hunderte Milliarden an Steuern. 2015 wurde Juncker deswegen mit dem Schandflec­k des Jahres ausgezeich­net, und trotzdem gibt es eine fast nicht enden wollende Liste mit Ehrendokto­raten, Auszeichnu­ngen und Orden für Juncker.

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