Barfuß durch den Teutoburger Wald
Burgtheater: Heinrich von Kleists „Hermannsschlacht“in Martin Kušejs Regie
Der große Coup war Martin Kušejs erste Inszenierung für das Burgtheater wahrlich nicht: Langweilig, unspektakulär und sprachlich sehr eindimensional wird Kleists Drama in fünf Akten exekutiert. Der Schar der Germanenfürsten rund um den Cherusker Hermann fehlt einfach der Sinn für Worte: Man hört, aber was?
Latein, die Sprache der Römer, holpernd als Einsprengsel, Kleists tragfähige deutsche Sprache mit wenig Artikulation: Wie hätten andere Schauspieler und Schauspielerinnen die Figuren, ein . . . oder eine . . . gestaltet? Da geht es nicht um Reminiszenzen! Was am Burgtheater jetzt besonders hörbar wird, ist der Verlust einer Diktion und eine Annäherung an die Dimensionen des Hauses. Über weite Strecken wird Text in moderner Art aufgesagt, Betonung findet kaum statt.
Barfuß durch den Teutoburgerwald, nackt unter Militärmänteln, und am Ende Burschenschafter: Von Römern und Germanen bis zu Rechten von heute versucht Kušej seinen Bogen zu spannen. Das Ende dabei: längst gesehen, abgetan. Seine Rechnung geht nur bedingt auf, denn Hermanns Zwiespalt und Abfall von den Römern nach Missetaten der
Söldner im germanischen Reich, Thusneldas gekränkte Ehre und das Kalkül der Fürsten sind nur kunstvoll installiert.
Eine Skulptur aus grauen Betonpanzersperren und ein buntes Kinderringelspiel für Hermann und Thusnelda, aber auch für nackte germanische Recken) dominieren die Ausstattung von Martin Zehetgruber. Zwischen den Szenen passieren endlos anmutende Momente, Blackouts mit „wummernder“Musik von Bert Wrede. Mit Bühnennebel, Feuer und grünem Licht möchte Kušej Atmosphäre suggerieren, das Gesagte unterstreichen.
Was auf der großen Bühne geredet wird, klingt fern, sehr fern, manchmal unklar und durch das langatmige
Tempo auch zusammenhanglos. Politisches wurde der Inszenierung angedichtet, aber Markus Scheumann als Cheruskerfürst Hermann ist eine blasse Figur aus einem Niemandsland. Bibiana Beglau als sein „Thusschen“(dies hört man kaum“): Einmal scheint sie gar aus einem Pariser Puff zu kommen (Kostüme: Alan Hranitelj). Wenige stechen aus dem Ensemble heraus, das sich oft in einem diffusen Licht zeigen muss. Falk Rockstroh als Varus ist einer und Dietmar König ein stimmlich hervorstechender Egbert.
Kleists Drama, lange missbraucht, bräuchte mehr Blicke auf die Widersprüche, auf das Paradoxe der Figur Hermann.