Zwischen Freud und Leid
Aufatmen in Brüssel, Votum bringt Klarheit EU rechnet mit raschen Verhandlungen Aber weiterhin große Sorge um die Zukunft
Kurz vor 23 Uhr wurden am Donnerstag beinahe überall im EU-Ratsgebäude die Fernsehgeräte eingeschaltet und die britischen TV-Kanäle gesucht. Die Delegationen aller Länder verfolgten gespannt die erste Hochrechnung nach der Wahl in Großbritannien, und auch die Journalisten versammelten sich vor den Bildschirmen in der Cafeteria des Pressezentrums.
„Wir sind bereit für die nächsten Schritte“
Nur die Staats- und Regierungschefs waren mit anderem beschäftigt – sie diskutierten und stritten bereits seit Stunden über den Klimaschutz. Dennoch war nicht zu übersehen, dass einer fehlte. Aber dass der Sessel Großbritanniens auch künftig frei bleibt, daran wird sich die EU wohl gewöhnen müssen. EU-Ratspräsident Charles Michel erwartet ein rasches Brexit-Votum des
britischen Parlaments. „Wir sind bereit für die nächsten Schritte“, betonte Michel. Und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen fügte hinzu: „Wir müssen uns so bald wie möglich an die Arbeit machen.“
Das eindeutige Wahlergebnis sorgte in Brüssel vor allem für Aufatmen – endlich herrsche Klarheit, so lautet der Tenor. Auch Irlands Regierungschef Leo Varadkar sieht das klare Votum positiv: Das britische Parlament sei künftig nicht mehr gelähmt, wie es in den vergangenen zwei, drei Jahren der Fall gewesen sei. Erfreut zeigt sich ebenso die französische Staatssekretärin für europäische Angelegenheiten Amélie de Montchalin: Eine stabile Mehrheit sei das, „was im Vereinigten Königreich seit einigen Jahren gefehlt hat“, so die Französin.
Zukünftige Beziehung: Noch ist nichts geregelt
Doch auch wenn nun alles auf einen EU-Austritt der Briten am 31. Jänner hindeutet, geregelt ist in Wahrheit noch gar nichts. Immerhin muss auch die zukünftige Beziehung Großbritanniens mit der EU verhandelt werden. Es geht darum, wie das Land künftig mit seinen Partnern Handel treibt und zusammenarbeitet, und das ist bisher nur in Grundzügen in einer unverbindlichen Erklärung angerissen. Das könne auch nicht in wenigen Monaten geregelt werden, sind schon jetzt warnende Stimmen zu hören.