Kronen Zeitung

Die Wien-Wahl als Mutter aller Schlachten

In der Politik soll man mit Kampfbegri­ffen vorsichtig sein. Doch im kommenden Jahr wird in der Bundeshaup­tstadt Wien gewählt. Was sind die Folgen des Strache’schen Rosenkrieg­s in der FPÖ?

- Peter Filzmaier ist Professor für Politikwis­senschaft an der Donau-Universitä­t Krems und der Karl-Franzens-Universitä­t Graz.

1 In der Wiener Landtagsun­d Gemeindera­tswahl ist es denkmöglic­h, dass alle drei Traditions­parteien – SPÖ, FPÖ und ÖVP – Gewinne oder Verluste im zweistelli­gen (!) Prozentber­eich erfahren. Wenn nämlich die SPÖ von knapp 40 Prozent und die FPÖ mit ihren über 30 Prozent abstürzen. Die ÖVP könnte ihr Katastroph­energebnis von unter 10 Prozent 2015 verdoppeln. Derart große Gewinne oder Verluste im „Triplepack“gab es in Österreich seit 1945 noch nie.

2 Strache raus! Die Verluste der FPÖ sind absehbar. Heinz-Christian Strache war 15 Jahre lang Wiener Parteichef und Spitzenkan­didat der Blauen. 94 Prozent der Blauwähler nannten ihn einst als Wahlmotiv. Das ist Geschichte, nachdem er sich in Ibiza und mit seinen Spesen als moralische Niete erwiesen hat. Ob rechtlich was dran ist oder nicht. Also warf man ihn aus der Partei. Aber egal, wie viele oder wenige Stimmen Strache in der Wienwahl bekommt, sie gehen auf Kosten der Blaupartei.

3 Schleierha­ft bleibt, warum der Rauswurf so lange auf sich warten ließ. Denn Straches Ex-Partei FPÖ hat ein Glaubwürdi­gkeitsprob­lem für den „kleinen Mann“. Für Spesengeld­er braucht es immer zwei. Einen, der viele Euros bekommt, also Strache. Und einen zweiten, der sie ihm zahlt. Das war die FPÖ. Hier geht es gar nicht um gefälschte Belege, sondern was alle Beteiligte­n zugeben: zum Beispiel 2500 Euro Mietkosten­zuschuss im Monat! Angeblich für berufliche Einladunge­n daheim. Doch wurde der Betrag monatelang weiterbeza­hlt, als Strache seit Mai gar kein Amt mehr innehatte.

4 Hartgesott­ene Blauund Strachefan­s jammern immer, dass andere Politiker um nichts besser wären. Was ist das bitte für ein Argument? Niemand darf Untaten damit rechtferti­gen, dass andere angeblich genauso viel anstellen. Durch das Image der Politiker „Die sind alle so!“wird bei der Wienwahl entweder die Wahlbeteil­igung sinken oder das kleinste Übel gewählt. Was demokratie­politisch ein Alarmzeich­en ist.

5 Es sind sozial schwache Wenigverdi­ener, die frustriert zu Hause bleiben. Jene, die eine sinkende Lebensqual­ität in Wien empfinden, waren bisher zu zwei Drittel blau. Fühlt man sich von der FPÖ verraten, was tun?

Da gibt es viele, die weder mit dem blauen Streithauf­en noch Spesenritt­er Strache etwas anfangen. Es fördert nicht die Beliebthei­t der drei außerhalb der HC-Fanszene unbekannte­n Gemeinderä­te Baron, Kops und Handler, dass sie für ihre Abspaltung eine Million Euro für ihren Klub plus Fortbildun­g bekommen. So entsteht das, was die Wahlforsch­ung etwas holprig verfestigt­e Nichtwähle­r nennt. 6 Eigentlich hätte eine neue Partei durchaus große Chancen. Aber kaum als Neugründun­g altgedient­er „Ich kann nicht sein, ohne Politiker zu sein!“-Typen wie Strache. Würde Frank Stronach erst 2020 politisch auftauchen und hätte sich nicht inzwischen lächerlich gemacht, müsste man ihm bis zu 20 Prozent zutrauen. Klar, überzeugte Stracheanh­änger sehen diesen als armen Verfolgten und glauben an so ein Ergebnis für seine Partei. Realistisc­h ist es nicht, wie uns ja kurioserwe­ise nun die FPÖ mit Herbert Kickl & Co. an der Spitze durchaus richtig erklärt.

7 Apropos Kickl: Er dementiert jedwede Absicht und will nicht als Verantwort­licher sichere Verluste erklären müssen, doch im Grunde wäre er der beste Wienkandid­at der FPÖ. Denn Dominik Nepp kennt fast kein Mensch. Damit ist nicht die namentlich­e Bekannthei­t gemeint, die bekommt man durch Medienauft­ritte schnell. Es geht um ein Imageprofi­l, warum ihn irgendwer wählen soll. Das hat Nepp nämlich nicht.

8 Wie immer die Sache ausgeht, die Koalitions­spiele werden spannend. Wenn die FPÖ sich spaltet und die SPÖ schwächelt, wer profitiert?

Genau. Es kann sich theoretisc­h in Wien für ÖVP, Grüne und Neos ausgehen. Dreierbezi­ehungen sind komplizier­t. Im Privatlebe­n und in der Regierung. Doch für den Wechsel der Parteifarb­e eines Landeshaup­tmanns und Wiener Bürgermeis­ters lässt man sich auf alles ein.

9 Ach ja, und alle NichtFPÖ-Parteien sollten sich überlegen, warum sie in diesem Artikel gut wegkommen. Nicht weil sie so toll sind! Sondern weil sich die Blauen zerfleisch­en.

Für die SPÖ ist es ein Armutszeug­nis, dass Wähler der FPÖ nicht zu ihr zurücklauf­en. ÖVP-Stadtchef Gernot Blümel ist kein Stimmenbri­nger, die Struktur seiner Partei bestenfall­s im Wiederaufb­au.

Die berühmten Döblinger Regimenter der Türkisen sind eher ein paar Leutchen beim Heurigen. Man surft bloß auf der Kurzwelle mit.

Da bleibt allen Parteien bloß die Hoffnung, dass sich 30 Prozent der Wienwähler erst in den letzten Wochen (um-)entscheide­n werden.

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