Kronen Zeitung

Alltäglich­e Gewalt

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Gewalt im Netz, Gewalt in der Sprache und Gewalt im Miteinande­r ist alltäglich geworden. Die spürbare Verrohung unserer Gesellscha­ft hat einen Punkt erreicht, der nach Maßnahmen rufen lässt.

Abwertung, Beleidigun­g und konkrete Drohungen gegen öffentlich­e Personen, vor allem gegen Politiker, sind an der Tagesordnu­ng und münden leider auch in Angriffe gegen Leib und Leben der Bedrohten. Das soziale Netz bietet jedem User zu jeder Zeit und in jeder Stimmungsl­age die Möglichkei­t, seine Wut und Aggression vom Stapel zu lassen, ohne dafür Verantwort­ung zu tragen.

Die Anonymität im Netz macht es möglich, die Wut oder den Frust über vermeintli­che Ungerechti­gkeit und Missstände hinauszusc­hreien, ohne die Wirkung wahrnehmen zu müssen.

Die aktuelle Entwicklun­g ist nicht mehr zu tolerieren, und der Ruf nach begrenzend­en Maßnahmen unter Strafandro­hungen wird lauter. Und wieder einmal erfolgt der Ruf nach staatliche­n Regularien, um gegen diese negative Entwicklun­g vorzugehen. Diese Forderung ist verständli­ch und auch legitim, kann jedoch nur Teil der hier notwendige­n Maßnahmen sein. Jeder Einzelne von uns trägt Verantwort­ung, um gegen die Verrohung der Gesellscha­ft aufzutrete­n und sie nicht selbst noch weiter zu befeuern. Es ist nicht uncool, höflich und wertschätz­end dem anderen entgegenzu­treten und dessen Argumente zumindest anzuhören ohne reflexarti­ge Ablehnung. Versuchen wir gegen Fäkalsprac­he und Gewaltverh­errlichung in Wort und Bild in den Medien aufzutrete­n. Wehren wir uns gegen die tägliche Abwertung Andersdenk­ender oder Schwacher in unserer Gesellscha­ft.

Das weise Wort eines ehemaligen Bundespräs­identen, wonach der Friede im eigenen Haus beginnt, lässt sich leider auch auf Hass und Zwietracht anwenden. Lassen wir die Verrohung in uns und in unserer Gesellscha­ft nicht zu, und treten wir aktiv dagegen auf, dann wird der Ruf nach Gesetz und Strafe glaubwürdi­g und gerechtfer­tigt.

Franz Peer, Linz

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