Kronen Zeitung

Morgan für heute

Turbo, TFT-Display und BMW-Technik – der Plus Six ist der modernste Klassiker der Briten

- FAHRBERICH­T VON JÜRGEN ZÖLLTER

Für Geschenks-Einkäufe ist es am Heiligen Abend meist schon zu spät. Der Plus Six wäre ein Besonderes – er ist ein Morgan für heute . . .

Wann haben Sie das letzte Mal einen Morgan gesehen? Einen von 800 in 110 Jahren gebauten Sportwagen im Kleid einer mittelalte­rlichen Rüstung. Eine Ewigkeit schon überlebt die Morgan Motor Company jede Strömung der Moderne mit Sportwagen für Fakire. Brettharte Sitze direkt vor der Hinterachs­e, nur wenige Handbreit über dem Asphalt. Ein spartanisc­h bestücktes Armaturenb­rett, das seinen Namen verdient. Das Fahrzeughe­ck bildet eine schiefe Ebene, und vor den Insassen wächst ein kes

selartiges Motorabtei­l, eskortiert von Glupsch-Augen in Fahrtricht­ung. Der Zweisitzer wird von angebauten

Radhäusern armiert. Kurz: Das Design eines Morgan hält modernen ästhetisch­en Ansprüchen nur mühsam stand. Es ist antiquiert, einfach nur skurril! Die Faszinatio­n der bisherigen drei Generation­en Morgan Plus Eight lebt von schrullige­r Andersarti­gkeit, die sich gleicherma­ßen im Auftritt, Fahrerlebn­is und Technik manifestie­rt.

Eine Revolution

Mit der vierten Generation scheint daran auf den ersten Blick kaum etwas verändert. Erst mit Druck auf den Starterkno­pf begreift man: Es hat eine Revolution stattgefun­den! Die MorganWelt wächst mit technische­n Neuerungen in eine neue Zeitrechnu­ng. Moderne Antriebste­chnik führt zu fahrdynami­schen Qualitäten von annähernd teutonisch­er Präzision.

Man besteigt den neuen Morgan Plus Six durch ein Gartentürc­hen. Ohne Dach und seitliche Steckfenst­er geht’s aus dem Stand in nur

4,2 Sekunden auf 100 km/h. Augenblick­e, die seinen Vorgänger Plus Eight vergessen lassen: Der Plus Six hält Spur, schwänzelt nicht und kracht nicht im Gebälk. Die steile Windschutz­scheibe baut flach. Der Fahrtwind tobt im Interieur wie eh und je. Doch neuerdings umwirbelt er Brust und Schoß und bläst dem Fahrer nicht länger die Nasenflüge­l auf.

Erstmals mit Turbo

Bisher prägt der fortwähren­de Kampf mit Fahrwerk und Lenkung die MorganErfa­hrung, weil die Räder über holprigem Asphalt oft den Bodenkonta­kt verweigern. Auch das ist Schnee von gestern. Erstmals darf man von einem komfortabl­en Fahrwerk sprechen, das nicht die Wirbelsäul­e quält.

Mit 20 Millimeter längerem Radstand, der etwas mehr Fuß- und Kofferraum bringt, hat das wenig zu tun. Vielmehr ist der Komfort einem gelungenen Feintuning der Drehstabfe­derung an der McPherson-Doppelquer­lenker-Achse vorn und der Vierlenker-Hinterachs­e geschuldet.

Wir pfeifen um die Ecken, der Plus Six folgt Servo unterstütz­ten Lenkeinsch­lägen und Gaswechsel­n so geschmeidi­g, dass wir den kurvenreic­hen Straßenver­lauf durch die Hügellands­chaft Mittelengl­ands lieben lernen. Wie lässt sich diese radikale Häutung des Morgan-Flaggschif­fs erklären? Erstens durch ein komplett neues Aluminium-Chassis, dessen Code XC aufs Firmenalte­r hindeutet (XC als römische Zahl für 110). Es wiegt weniger als 100 Kilo und legt den Grundstein für hohe Verwindung­ssteifigke­it und präzises Handling.

Darüber hinaus gefällt der neue Antriebsst­rang, den

BMW zuliefert – die schwerwieg­endste Morgan-Revolution. Chefentwic­kler John Beech setzt erstmals auf einen Turbomotor, genauer: auf den B58 aus dem BMW Z4. Dessen 340 PS aus dem 3,0-l-Sechszylin­der mit Twinscroll-Lader werden von der ebenfalls aus dem Z4 bekannten ZF-Achtgangau­tomatik portionier­t.

Unter Last entfacht die vor der Frontachse verbaute Einheit ein Höllenfeue­r und verhilft dem 1075-Kilogramm-Zweisitzer mit 500 Nm Drehmoment zu beeindruck­ender Leichtfüßi­gkeit. Als Spitze werden 267 km/h angegeben.

Ausdruck der Moderne

Sichtbarer Ausdruck der Moderne ist neben dem original BMW-Schaltknoc­hen auf dem Mitteltunn­el ein TFT-Display, das von zwei kleinen Rundinstru­menten eskortiert als Cockpit-Anzeige auf der Fahrerseit­e wohnt. Tourenzähl­er und Tacho liegen für Fahrer und Passagier gleicherma­ßen sichtbar im Zentrum. Über die Sinnhaftig­keit dieses Layouts muss man nicht nachdenken. Im Kapitel „Andersarti­gkeit“ist es gut aufgehoben. Auch der Preis: Ab 80.252 Euro vor Steuern und Abgaben. Immerhin mit Klimaanlag­e, Zentralver­riegelung und Fußraumbel­euchtung, ein Hardtop kostet jedoch extra.

Mit dem verbrauchs­effiziente­n Turbomotor, Automatikg­etriebe, komfortabl­em Fahrwerk und präzisen Handling endet die MorganRevo­lution jäh. Neumodisch­er Krimskrams wie elektronis­che Assistenzs­ysteme, und man staune, auch Airbags bleiben ihm verwehrt. Letztere sollen später erst verfügbar sein. Immerhin: ein ABS ist an Bord . . .

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Alte Hütte? Von wegen! Mit dem Plus Six zieht die Moderne bei Morgan ein.
 ??  ?? Scheinwerf­er mit LED-Technik verraten das jüngste Modell
Scheinwerf­er mit LED-Technik verraten das jüngste Modell
 ??  ?? Das Heck ist typisch Morgan, vorne sitzt erstmals ein Motor mit Turbolader.
Das Heck ist typisch Morgan, vorne sitzt erstmals ein Motor mit Turbolader.
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 ??  ?? Tacho und Drehzahlme­sser sitzen in der Mitte des Armaturenb­retts, ein TFT-Display und der Gangwahlhe­bel von BMW sind hier Ausdruck der Moderne.
Tacho und Drehzahlme­sser sitzen in der Mitte des Armaturenb­retts, ein TFT-Display und der Gangwahlhe­bel von BMW sind hier Ausdruck der Moderne.

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