Morgan für heute
Turbo, TFT-Display und BMW-Technik – der Plus Six ist der modernste Klassiker der Briten
Für Geschenks-Einkäufe ist es am Heiligen Abend meist schon zu spät. Der Plus Six wäre ein Besonderes – er ist ein Morgan für heute . . .
Wann haben Sie das letzte Mal einen Morgan gesehen? Einen von 800 in 110 Jahren gebauten Sportwagen im Kleid einer mittelalterlichen Rüstung. Eine Ewigkeit schon überlebt die Morgan Motor Company jede Strömung der Moderne mit Sportwagen für Fakire. Brettharte Sitze direkt vor der Hinterachse, nur wenige Handbreit über dem Asphalt. Ein spartanisch bestücktes Armaturenbrett, das seinen Namen verdient. Das Fahrzeugheck bildet eine schiefe Ebene, und vor den Insassen wächst ein kes
selartiges Motorabteil, eskortiert von Glupsch-Augen in Fahrtrichtung. Der Zweisitzer wird von angebauten
Radhäusern armiert. Kurz: Das Design eines Morgan hält modernen ästhetischen Ansprüchen nur mühsam stand. Es ist antiquiert, einfach nur skurril! Die Faszination der bisherigen drei Generationen Morgan Plus Eight lebt von schrulliger Andersartigkeit, die sich gleichermaßen im Auftritt, Fahrerlebnis und Technik manifestiert.
Eine Revolution
Mit der vierten Generation scheint daran auf den ersten Blick kaum etwas verändert. Erst mit Druck auf den Starterknopf begreift man: Es hat eine Revolution stattgefunden! Die MorganWelt wächst mit technischen Neuerungen in eine neue Zeitrechnung. Moderne Antriebstechnik führt zu fahrdynamischen Qualitäten von annähernd teutonischer Präzision.
Man besteigt den neuen Morgan Plus Six durch ein Gartentürchen. Ohne Dach und seitliche Steckfenster geht’s aus dem Stand in nur
4,2 Sekunden auf 100 km/h. Augenblicke, die seinen Vorgänger Plus Eight vergessen lassen: Der Plus Six hält Spur, schwänzelt nicht und kracht nicht im Gebälk. Die steile Windschutzscheibe baut flach. Der Fahrtwind tobt im Interieur wie eh und je. Doch neuerdings umwirbelt er Brust und Schoß und bläst dem Fahrer nicht länger die Nasenflügel auf.
Erstmals mit Turbo
Bisher prägt der fortwährende Kampf mit Fahrwerk und Lenkung die MorganErfahrung, weil die Räder über holprigem Asphalt oft den Bodenkontakt verweigern. Auch das ist Schnee von gestern. Erstmals darf man von einem komfortablen Fahrwerk sprechen, das nicht die Wirbelsäule quält.
Mit 20 Millimeter längerem Radstand, der etwas mehr Fuß- und Kofferraum bringt, hat das wenig zu tun. Vielmehr ist der Komfort einem gelungenen Feintuning der Drehstabfederung an der McPherson-Doppelquerlenker-Achse vorn und der Vierlenker-Hinterachse geschuldet.
Wir pfeifen um die Ecken, der Plus Six folgt Servo unterstützten Lenkeinschlägen und Gaswechseln so geschmeidig, dass wir den kurvenreichen Straßenverlauf durch die Hügellandschaft Mittelenglands lieben lernen. Wie lässt sich diese radikale Häutung des Morgan-Flaggschiffs erklären? Erstens durch ein komplett neues Aluminium-Chassis, dessen Code XC aufs Firmenalter hindeutet (XC als römische Zahl für 110). Es wiegt weniger als 100 Kilo und legt den Grundstein für hohe Verwindungssteifigkeit und präzises Handling.
Darüber hinaus gefällt der neue Antriebsstrang, den
BMW zuliefert – die schwerwiegendste Morgan-Revolution. Chefentwickler John Beech setzt erstmals auf einen Turbomotor, genauer: auf den B58 aus dem BMW Z4. Dessen 340 PS aus dem 3,0-l-Sechszylinder mit Twinscroll-Lader werden von der ebenfalls aus dem Z4 bekannten ZF-Achtgangautomatik portioniert.
Unter Last entfacht die vor der Frontachse verbaute Einheit ein Höllenfeuer und verhilft dem 1075-Kilogramm-Zweisitzer mit 500 Nm Drehmoment zu beeindruckender Leichtfüßigkeit. Als Spitze werden 267 km/h angegeben.
Ausdruck der Moderne
Sichtbarer Ausdruck der Moderne ist neben dem original BMW-Schaltknochen auf dem Mitteltunnel ein TFT-Display, das von zwei kleinen Rundinstrumenten eskortiert als Cockpit-Anzeige auf der Fahrerseite wohnt. Tourenzähler und Tacho liegen für Fahrer und Passagier gleichermaßen sichtbar im Zentrum. Über die Sinnhaftigkeit dieses Layouts muss man nicht nachdenken. Im Kapitel „Andersartigkeit“ist es gut aufgehoben. Auch der Preis: Ab 80.252 Euro vor Steuern und Abgaben. Immerhin mit Klimaanlage, Zentralverriegelung und Fußraumbeleuchtung, ein Hardtop kostet jedoch extra.
Mit dem verbrauchseffizienten Turbomotor, Automatikgetriebe, komfortablem Fahrwerk und präzisen Handling endet die MorganRevolution jäh. Neumodischer Krimskrams wie elektronische Assistenzsysteme, und man staune, auch Airbags bleiben ihm verwehrt. Letztere sollen später erst verfügbar sein. Immerhin: ein ABS ist an Bord . . .