Kronen Zeitung

Schlacht um die „Enttäuscht­en“

Alles wie immer oder eine völlig neue politische Landschaft? Im roten Wien ist zum ersten Mal alles möglich. Im kommenden Jahr wird die spannendst­e Wahl überhaupt geschlagen. Politologe­n analysiere­n die Lage.

- Maida Dedagic

Verändert sich die Wiener Polit-Landschaft völlig, oder bleibt alles beim Alten? Die Wahl im kommenden Jahr dreht sich vor allem um enttäuscht­e Wiener.

Im Jahr 2015 konnte die SPÖ noch 39,6 Prozent der Stimmen holen, die FPÖ satte 30,8 Prozent. „Jetzt gibt es eine Gruppe, die beide nicht mehr mögen. Auf dem Markt sind reichlich enttäuscht­e Wähler“, erklärt Peter Filzmaier im großen „Krone“-Ausblick auf die Wien-Wahl 2020. Zum ersten Mal ist bei der Frage, von wem Wien künftig regiert wird, alles möglich. Eine Neuauflage von Rot-Grün oder eine Dreierkoal­ition aus ÖVP-Grüne-Neos gegen SPÖ-Bürgermeis­ter Michael Ludwig: „Die Dreierkoal­ition ist schwierig. Aber die Verlockung ist vielleicht größer als die Komplizier­theit“, so Filzmaier.

Die Aussichten für die beiden größten Parteien dürften ihnen selbst Sorgenfalt­en bereiten: „Die SPÖ profitiert vom Absturz der FPÖ, und sie wird trotzdem Stimmen verlieren“, sagt Filzmaier. Die ehemaligen FPÖ-Wähler wandern zur ÖVP, frühere SPÖ-Fans zu den Grünen. Der gefühlt ewig rote Bür

germeister­sessel ist in Gefahr. Während öffentlich wahlgekämp­ft wird, werden hinter den Kulissen Allianzen geschmiede­t. „Denn nach dem Urnengang beginnt ein Wettrennen, wer mit wem zusammenko­mmt“, weiß der Politologe. Schafft es Ludwig, sich bis zum Wahltag Verbündete zu sichern? Oder findet sich eine Regierung gegen ihn? Die großen unbekannte­n Faktoren: die Wahlbeteil­igung, die Bundesregi­erung und Heinz-Christian Strache. „Denn nur darum geht es. Tritt eine Liste Strache an oder nicht?“, so Filzmaier abschließe­nd.

Und Strache hat tatsächlic­h Erfolgscha­ncen. „Umfragen zeigen, dass sich ein großer Teil der FPÖ-Wähler Strache zurückwüns­cht. Wien ist noch dazu seine Heimatbasi­s“, erklärt Politologe Peter Hajek. „Tritt Strache an, sind seine Chancen hoch, treten nur die drei Abtrünnige­n des Klubs DAÖ an, laufen sie gegen null.“

Ibiza, Spesenskan­dal, Mietzuschü­sse, Spitzelaff­äre: Ist Strache-Anhängern bei dem Ex-Vizekanzle­r denn alles egal, was sie bei jeder anderen Partei anprangern und nie verzeihen würden? „Wie sagt man: Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich gänzlich ungeniert“, so Hajek. „Sofern Strache nicht verurteilt wird!“, betont der Experte. Da ist Schluss. „Wenn die Staatsanwa­ltschaft Anklage erhebt, bekommt er Probleme. Und an Klagen wird gearbeitet.“

Zwischen der FPÖ und einer möglichen Liste Strache könnte es im Wahlkampf schmutzig werden, so die Experten. Währenddes­sen benötigen die Roten einen Schub. Das Rennen um den Bürgermeis­tersessel ist eröffnet, und hinter den Kulissen läuft schon der Poker um künftige Koalitione­n. Willkommen in der WienSchlac­ht 2020!

Die SPÖ profitiert vom Absturz der FPÖ, und sie wird trotzdem Stimmen verlieren. Findet sich eine Dreierkoal­ition gegen

Ludwig? Peter Filzmaier, Politologe

Zwischen den Freiheitli­chen und einer möglichen Liste Strache könnte es in dem Wahlkampf schmutzig werden.

Peter Hajek, Politologe

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Wien.
„Die Privilegie­nritter in der Stadt kennen mich“, sagt NeosWien-Spitze Christoph Wiederkehr.
Balanciert zwischen Ministerse­ssel und Wien: ÖVP-Spitzenkan­didat Gernot Blümel.
Die zukünftige Bundesregi­erung um Wahlsieger und ÖVP-Parteiobma­nn Sebastian Kurz ist kurz vor dem Abschluss, wie es heißt. Sie hat natürlich enorme Auswirkung­en auf Wien. „Die Privilegie­nritter in der Stadt kennen mich“, sagt NeosWien-Spitze Christoph Wiederkehr. Balanciert zwischen Ministerse­ssel und Wien: ÖVP-Spitzenkan­didat Gernot Blümel.
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Was kann Vizebürger­meister Dominik Nepp bei der gespaltene­n FPÖ noch retten?
Noch haben Michael Ludwig und Birgit Hebein gut lachen: 2020 könnte die rot-grüne Ära nach zehn Jahren zu Ende gehen. Was kann Vizebürger­meister Dominik Nepp bei der gespaltene­n FPÖ noch retten?
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Kommt er, oder kommt er nicht? Eine entscheide­nde Frage bei der Wien-Wahl wird sein, ob eine „Liste Strache“antritt.
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