Fahrscheine aus zweiter Hand
Richter: „Sie verkaufen gebrauchte Straßenbahnfahrscheine?“
Bettler Johann K.: „Nebenberuflich. Im Dezember beispülsweise, wia de Leit regelrecht in an Kaufrausch gfalln san, weils ganz vertieft in ihre Einkäufe gwesn san, und gedankenlos ihre Fahrscheine aufn Boden ghaut habn, hab i mi in Wien-Floridsdorf zur UBahn gstellt und hab de Fahrschein aufklaubt. Des is a stark frequentierte Station, a Knotenpunkt, wo vüle von der Schnellbahn in de U-Bahn umsteign oder aa umgekehrt. Und a Tramway gibts aa.
Nachdem ma mit de meistn Fahrscheine no umsteign kann – vorausgesetzt ma fahrt in eine Richtung, war das so vül, wia a bares Geld, was i aufklaubt hab. I bin mit de Fahrscheine ume zur Straßenbahnhaltstell ganga und hab im Haltestellen-Hüttl de Leut gfragt, obs an brauchn.
An Euro hab i für an Fahrschein verlangt. I hab scho gewisse Stammkundn ghabt, zum Beispül an pensioniertn Amtsrat. Der is jedn Tag mit an Fahrschein a paar Stationen gfahrn und z Fuß wieder hamgangen.
Leider hab i mi amal beim Aussortiern girrt und hab an ältern Herrn an Kinderfahrschein verkauft. Der Herr is von an Kontrollor derwischt wurdn und hat Straf zahln müassn, was ma natürlich sehr ladtuat.
Der Herr is naturgemäß wutentbrannt zu mir zurückgekehrt und hat ma an Polizisten auffeghetzt. Mit dem Herrn hab i mi scho ausglichn. Er kriagt siebzig Fahrscheine von mir und hat sei Straf wieder herinn. I bitt um an Freispruch, i bin a Gewinn für de Verkehrsbetriebe. Weil durch meine günstigen Preise aus zweiter Hand san scho a paar Schwarzfahrer zu zahlenden Gästen geworden! Aa wenns in mei Börserl fließt. I kann ma a köstliches Essen leistn, und mei Wirt hat aa was davon.“
Der Bettler erhielt vierzehn Tage Arrest und krankheitshalber Strafaufschub.
„Guat, dass de Verhandlung nur zehn Minutn dauert hat“, meinte er mit einem Blick auf einen (gebrauchten) Straßenbahnfahrschein. „Da kann i mit der Kartn, de was vur aner halbn Stund aner bei der Alserstraßn weggschmissn hat, grad no in de Stadt fahrn“, so der Angeklagte.