Die heißen Eisen von Türkis-Grün
Sicherungshaft, Amtsgeheimnis-Abschaffung, direkte Demokratie: Welche heiklen Themen die kommende Regierung in ihr Koalitionsprogramm geschrieben hat – und welche nicht.
Automatismus ade!
Er war einer der großen Aufreger des vergangenen Regierungsprogramms: die automatische Volksabstimmung nach erfolgreichen Volksbegehren. Der Plan: Erreicht ein Volksbegehren mehr als 900.000 Unterschriften, wird verbindlich darüber abgestimmt, wenn das Parlament das Begehr nicht umsetzt. Diese umstrittene Änderung des heimischen Polit-Systems wurde stets von der FPÖ gefordert, unter Sebastian Kurz forderte auch die ÖVP so eine Änderung. Umgesetzt hat TürkisBlau die Reform übrigens nie. Und das wird auch Türkis-Grün nicht tun: Das Thema „Direkte Demokratie“kommt im 326-seitigen Koalitionspakt nämlich gar nicht vor.
Länder sind am Zug
Einem türkis-blauen Leuchtturm sind nach dem jüngsten Urteil des Verfassungsgerichtshofs die Lichter ausgegangen: der Sozialhilfe-Kürzung. Türkis-Grün bemüht sich nun gleich gar nicht um eine Nachfolgeregelung der gekippten Reform. Das Thema wandert also zurück zu den Ländern, deren Kompetenz die Sozialhilfe eigentlich ja ist. Das bedeutet, dass Sozialhilfe-Bezieher auch in den kommenden Jahren von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich viel Geld ausbezahlt bekommen werden.
Was ist eine Krise?
Wenn es zu einer Asylkrise kommt, darf die ÖVP auch mit der FPÖ im Parlament Beschlüsse fassen, ohne damit gleich die Koalition zu sprengen. Das hat TürkisGrün im Koalitionspakt fixiert – allein: Wer sagt, wann eine Asylkrise herrscht?
Der vereinbarte Modus sieht vor, dass erst „fremdgegangen“wird, wenn sich Koordinierung und die Parteichefs darüber uneinig bleiben. Letztlich liegt die Entscheidung wohl bei der stärkeren Partei, der ÖVP – deren Chef Sebastian Kurz aber nicht glaubt, dass der Passus zum Einsatz kommen wird. Die FPÖ schließt jedenfalls nicht aus, im Krisenfall „die Kastanien aus dem Feuer zu holen“.
Die „heilige Kuh“soll fallen
Das Amtsgeheimnis gilt in Österreich als „heilige Kuh“, als einziges Land Europas ist es bei uns durch ein Gesetz im Verfassungsrang geschützt. Nicht nur der Richter oder der Polizist sind zur Verschwiegenheit verpflichtet, sondern jeder, der im Rahmen der „Bundes, Landes- und Gemeindeverwaltung“tätig ist: im Extremfall auch der Lehrer und die Kindergärtnerin. Wer plaudert, dem drohen bis zu drei Jahre Haft! Jede Information, die ein „Beamter“im Rahmen seines Berufes erfährt, ist geschützt. Auch der Gemeindebedienstete, der über Strafmandate des Nachbarn plaudert, macht sich strafbar. Kritiker meinen, das Amtsgeheimnis werde von der Obrigkeit zur Steuerung von Informationen missbraucht. Ungezählt sind die Verfahren gegen Polizisten, die harmlose Dinge weitererzählt haben. Für eine Gesetzesänderung braucht die Regierung auch die Opposition.
„Verfassung bleibt“
Die geplante Sicherungshaft für Personen, die die öffentliche Sicherheit gefährden, sorgt für heftige Kritik, vor allem an den Grünen (Kogler bezeichnete vor einem Jahr eine türkis-blaue Forderung nach „Präventivhaft“als „primitiv-populistisches Kalkül“). Nicht nur von politischen Gegnern (Neos-Chefin Meinl-Reisinger spricht von „Freiheitsberaubung“). Verfassungsrechtsexperte Bernd Christian Funk: „Das Bundesverfassungsgesetz sieht diese Sicherungshaft nicht vor.“Eine Zweidrittel-Mehrheit könnte das ändern. Die ginge sich mit der FPÖ (zeigt sich kooperativ) aus. Auch Anwälte wie Astrid Wagner oder Florian Höllwarth üben Kritik. „Wer entscheidet, wann wer eine Gefahr darstellt? Das ist reine Willkür.“Verfassungsjurist Funk ganz generell: „Es wäre sinnvoller, auf polizeiliche Überwachungen zu vertrauen.“Die Grünen dazu: Im Papier heißt es, dass eine verfassungskonforme „Sicherungshaft zum Schutz der Allgemeinheit“eingeführt werden soll: „Wir haben nicht vereinbart, dass wir die Bundesverfassung ändern“, stellte GrünenMitverhandler Georg Bürstmayr in den OÖ-Nachrichten klar.