„Da stimmt doch etwas nicht!“
Ma derf heutzutage kan Menschn mehr vertraun“, schluchzte die 52-jährige, geschiedene Anna T. vor dem Bezirksrichter. „Alles Schwindel und Betrug, was an de Leit an vurmachn! I hab den Herrn da durch a Inserat kennaglernt. Sehr schöne Briefe hat er ma gschriebn, und am meistn hat ma sei Handschrift imponiert. Jeder Buchstabe wia gstochn, ka anzicher Fehler war in de Briaf, und ein Stil, ma hat glaubt, ma liest an Liebesroman. Nach drei so Briaf hab i dann des erste Rendezvous ghabt. I war vom persönlichen Eindruck schwer enttäuscht. Se sehn ja selber, Herr Richter, wia der Herr ausschaut. Schuppn am Kragn, dass ma glaubt, er hat an Hermelinpelz um, de Schuach ganz schmutzich seitn letztn Gatschwetter, und auf der Westn siecht ma genau, was er in de letztn Tag alles gessn hat – nix Gsundes, des steht auf alle Fälle fest.
In dem Aufzug is er mit mir in de Wachau gfahrn. Drei Tage wollt er durt mit mir in aner Pension verbringa. Natürlich getrennt, versteht sich. Aber i bin eahm schon nach aner Viertlstund oposcht, und zwar in dem Moment, wia er in der Pension in Zettl mit seine Daten zum Ausfülln angfangt hat. Da hab i nämlich gsehn, dass de Schrift aus de Briaf gar net sei Schrift sein kann.
Der Mann hat den Zettl ausgfüllt wia der Hahn am Mist. A Schrift wia a Taferlklassler hat er, Wien hat er mit Ypsilon gschriebn. Und so was hätt mi heiratn wolln! I bin glei in nächsten Zug nach
Wien eingestiegn und hamgfahrn.“
„De Frauen gengan heutzutag nur aufs Äußere!“, schimpfte der Beschuldigte. „Deswegn hab i ja heiratn wolln, damit ma wer in Anzug reinigt und de Schuach putzt! Glaubn S, i hab Ihna nehma wolln, weil Se gar so schen san! Wia i mit Ihna in Briafwechsl tretn bin, hab i a verletzte Hand ghabt, drum hab i mir de Briaf von an bekannten Mittelschullehrer schreibn lassn. Pro Briaf hab i eahm a Krüagl Bier zahlt!“
Der Beschuldigte hatte nach dem überraschend schnellen Ende der Bekanntschaft mehrere gehässige Briefe an Frau T. geschickt. Er wurde zu einer Geldstrafe verurteilt.
„I tät unter Umständen für Sie a Gnadengesuch einreichen“, sagte Anna T. zum Verurteilten. „Wann S ma in Namen und die Adress von dem Lehrer gebn!“