Das Politikjahr anders gesehen
Die Schlacht der politischen Jahresausblicke ist geschlagen. Fast alles wurde gesagt. Inzwischen reden alle über die neue Regierung. Doch da gibt es ein paar Dinge, die genauso wichtig sind.
Ja, wir haben fast schon eine neue Regierung. Die Angelobung durch den Bundespräsidenten ist kommende Woche. Bis zum Jahr 2024. Doch auch wenn es bis dahin auf Bundesebene keine vorgezogenen Neuwahlen gibt, so gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Denn noch heuer finden in Österreich auf jeden Fall zwei Landtagswahlen und über tausend Gemeinderatswahlen statt. Schauen wir uns das an! Klar, über das Wahljahr 2020 wurde ebenfalls bereits viel gesprochen. Doch viel zu wenig über das kleine Burgenland und seine Landtagswahl am 26. Jänner. Das betrifft bloß vier Prozent der Österreicher. Doch die Symbolik wird groß sein. Einerseits als Testwahl unmittelbar nach der Regierungsbildung im Bund. Andererseits koalieren ja in Eisenstadt SPÖ und FPÖ. Sozusagen ein Gegenmodell zum Bund.
Die möglichen Alternativen SPÖ und ÖVP, SPÖ und Grüne oder ÖVP und FPÖ – mit allenfalls einer Kleinpartei als Dritten – wären das allesamt genauso. Zudem sind im Burgenland auch Personen mit einem Nebenwohnsitz im Land des Neusiedler Sees. unter bestimmten Voraussetzungen wahlberechtigt.
Das sind viele Wiener, also hat bereits diese Wahl ein bisschen was mit der Bundeshauptstadt zu tun.
Bei aller Vorsicht vor einer kriegerischen Wortwahl kann man die spätestens im Herbst 2020 stattfindende Wiener Landtagsund
Gemeinderatswahl als Mutter aller Schlachten bezeichnen. Nicht weil Wien wichtiger wäre als die anderen Bundesländer. Aber ganz abgesehen davon, dass hier jeder fünfte Wahlberechtigte in Österreich mitmachen darf: Schwäche der SPÖ, Absturz und Strachespaltung der FPÖ, Aufholversuch der ÖVP als städtische Kleinpartei, Wiederauferstehung der Grünen und Hochburg der Neos.
Da könnte kein Stein auf dem anderen bleiben. Noch spannender wird die Bildung der Stadtregierung danach: Ziemlich sicher ausgehen tut sich nur Rot-Türkis. Also SPÖ und ÖVP als Erzfeinde im Bund. Genauso möglich ist weiterhin SPÖ und Grüne.
Oder ein Dreier von ÖVP, Grüne und Neos. Dann hätten die Roten in der Bundeshauptstadt plötzlich keinen Bürgermeistersessel mehr!
Die blaue FPÖ macht sich nach ihren Skandalen wenig Illusionen. Doch hofft sie, dass all das sich knapp nicht ausgeht, um irgendwie Zünglein an der Waage zu sein. Ein vergessenes Thema ist, dass 2020 in Wahrheit fast vier Millionen erwachsene Österreicher – das ist weit mehr als die Hälfte, eher bereits fast zwei Drittel – schon wieder wählen dürfen.
Komplett vergessen wird im Tohuwabohu rund um die Wienwahl nämlich, dass in Niederösterreich und der
Steiermark Gemeinderatswahlen stattfinden. Gerade in kleineren Gemeinden haben Politiker nicht nur das beste Image und viel höhere Vertrauenswerte, sondern sind Bürgermeister & Co. den Menschen naturgemäß viel näher als jeder Minister.
Und obwohl die jeweiligen Landeshauptstädte da nicht dabei sind, werden hier so viele zu den Urnen gerufen, dass bei aller Besonderheit der Gemeindepolitik die allgemeinen Trends spannend werden. Unter den zahlreichen Wahlberechtigten sind übrigens allein im größten Bundesland – das ist Niederösterreich, nicht Wien – wegen der Zweitwohnsitzer über 300.000 mehr bei der Nationalratswahl.