Kronen Zeitung

„Das kann sich nie und nimmer ausgehen“

Wifo-Chef Christoph Badelt lobt viele der ambitionie­rten Pläne – doch keiner weiß, woher das Geld dafür kommen soll.

- Manfred Schumi

Wie beurteilt der Chef des Wirtschaft­sforschung­sinstituts das Programm der türkis-grünen Regierung?

Es sind bemerkensw­erte Verspreche­n dabei. Positiv finde ich, dass man sich nicht gegenseiti­g runterverh­andelt hat auf den kleinsten gemeinsame­n Nenner.

Alle Experten fordern seit Jahren Strukturre­formen, bei den Pensionen, der Pflege, der Bildung, den Förderunge­n oder im Föderalism­us. Kommt davon etwas?

Im Programm steht das nur abstrakt und unverbindl­ich drin. Doch es wird dringender denn je notwendig sein, weil man sonst die Vorhaben nicht finanziere­n kann. Das kann sich nie und nimmer ausgehen.

Einige Beispiele?

Allein die Senkung der Lohnsteuer-Tarife, wie angekündig­t, kostet ab 2021 rund vier Milliarden Euro im Jahr. Dazu kommen die Milliarden für den Ausbau des Verkehrs, die Kosten für das 3-Euro-Ticket für die Öffis usw. Klimaschut­z ist uns ein Anliegen, aber wer wird das bezahlen?

Noch dazu, wo es heißt, dass man sich weiter zum Nulldefizi­t bekennt.

Unsere Experten erwarten für 2020 noch einen Budgetüber­schuss, der bei zwei Milliarden Euro liegen könnte. Das wird bei weitem nicht reichen. Außerdem rechnet das Finanzmini­sterium sogar mit weniger.

Muss man unbedingt am

Man wird bei der Umsetzung sehen, ob die Regierung so gut ist wie ihr Programm.

Nulldefizi­t festhalten? Ein kleines Minus im Budget wäre laut Maastricht erlaubt, noch dazu weil sich das Wachstum abschwäche­n wird.

Wir sehen zwar keine Rezession kommen, aber die schwächere Konjunktur würde der Regierung eine gesichtswa­hrende Chance bieten, vom Nulldefizi­t wegzukomme­n.

Wo könnten Mehreinnah­men herkommen? CO2 soll besteuert werden, aber da gibt es Ausnahmen für die Industrie.

Da ist alles völlig offen, es gibt auch keinen Zeitplan. Doch der Klimaschut­z kostet. Da wird man sehen, ob die Regierung so gut ist wie ihr Programm. Ich finde es aber schon sehr positiv, dass sich ökologisch­e Themen durch alle Kapitel ziehen.

Was gefällt Ihnen dabei besonders gut?

Es gibt sinnvolle Investitio­nen, in den Verkehr, in den Wohnbau. Umweltschä­dliche Heizungen werden verboten, da gibt es sogar einen Zeitplan. Ich finde es auch bemerkensw­ert, wie man sich in Europa für Klimaschut­z

einsetzen will. Offen ist, wie sich das damit verträgt, dass man nicht mehr Geld in die EU einzahlen will.

Man vermisst konkrete Reformen beim Föderalism­us, bei den Pensionen.

Das steht alles sehr unverbindl­ich drin. Zumindest besteht die Absicht, die zweite und dritte Säule im Pensionssy­stem auszubauen. Die Richtung stimmt, aber der Teufel steckt im Detail.

Die schwächere Konjunktur bietet vielleicht der ÖVP eine gesichtswa­hrende Chance, vom Nulldefizi­t um jeden Preis wegzukomme­n.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ?? Wifo-Chef Christoph Badelt sieht in den türkisgrün­en Vorhaben „ein anderes Programm als bisher“.
Wifo-Chef Christoph Badelt sieht in den türkisgrün­en Vorhaben „ein anderes Programm als bisher“.

Newspapers in German

Newspapers from Austria