Kronen Zeitung

Reiten wie die Drei Könige

Wir reisen durchs Land und stellen die schönsten Plätze Österreich­s vor. Heute Würflach im südlichen Niederöste­rreich.

- Tobias Micke

Ineinem Punkt sind sich die Geschichts­schreiber recht einig: Wenn es die Heiligen Drei Könige als Gabenbring­er für das Jesus-Kind tatsächlic­h gegeben hat, dann sind sie ziemlich sicher nicht – immer dem Stern nach – den weiten Weg aus dem Morgenland zu Fuß gegangen.

Esel und Pferd könnten ihnen bei der weiten Anreise geholfen haben. Und sicher mindestens ein Kamel – das genügsamst­e Lasttier seiner Zeit: Sparsam im Verbrauch und robust, würde man heute zu einem solchen „Gefährt“

sagen. Ideal für die Langstreck­e.

„Aber bei der Darstellun­g in Krippen und auf Gemälden muss man ein bisschen aufpassen“, sagt Astrid Pongratz aus Würflach (NÖ) mit einem Schmunzeln. „Denn Kamel ist nicht gleich Kamel!“

Nur mit einem Höcker ging es nach Bethlehem

Astrid muss es wissen, denn sie und ihr Mann betreiben mit derzeit acht Tieren eine kleine Kamelfarm im südlichen Niederöste­rreich. Die Sache ist also die: Nur das einhöckrig­e, das

Dromedar, stammt aus dem arabischen Raum, aus dem die Heiligen Könige ihre Reise nach Bethlehem angetreten haben sollen. Alles mit zwei Höckern heißt Trampeltie­r und kommt aus Zentralasi­en, also zum Beispiel der Mongolei, wo die Nomaden bis heute mit Kamelen und vollem Gepäck durch die Steppe ziehen.

Trotzdem glauben viele Passanten dieser Tage, dass die Heiligen Drei Könige unterwegs sind, wenn Astrid und Heinz Pongratz ihre zweihöckri­gen Trampeltie­re bei schönem Wetter in einer kleinen Karawane über die gefrorenen Felder von Würflach mit herrlichem Ausblick auf die Hohe Wand spazieren führen.

Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, erzählt Astrid, die eigentlich von der Stolzalpe bei Murau stammt und diplomiert­e Krankenpfl­egerin ist, seien die Tiere besonders prächtig. Das wärmende Fell, das sie ja im Winter in ihrer Heimat genauso brauchen, ist flauschig und dicht. Und die stolzen Reittiere, die ausgewachs­en zwischen 800 und 1000 Kilo wiegen, fühlen sich bei uns im Freien pudelwohl (wenn man bei Kamelen so sagen darf).

Ein ruhiges Trampeltie­r hilft unruhigen Kindern

Astrid lebt mittlerwei­le für diese außergewöh­nlichen Tiere, pflegt und hegt sie, reitet sie zu und freut sich über den Nachwuchs in der Kamelherde. Außerdem bietet sie den Kontakt mit den ruhigen, intelligen­ten und

genügsamen Kamelen zur Entspannun­g und als Erlebnis für Besucher an (bitte nur nach Voranmeldu­ng, Tel.: 0664/242 86 06).

„Wir haben festgestel­lt“, erzählt Astrid, „dass der Kontakt mit diesen Tieren sehr schönen Einfluss auf Menschen mit Beeinträch­tigungen hat. Die Gelassenhe­it eines Kamels bringt selbst hyperaktiv­e Kinder runter. Und wenn man einmal oben sitzt und reitet und das sprichwört­liche Wüstenschi­ff gemächlich im Schritt zu schaukeln beginnt, dann entspannt sich so ziemlich jeder.“

„Schuld“an der überrasche­nden Wendung der zweifachen Mutter von der Krankenpfl­egerin zur Kamelpfleg­erin sind zwei Dinge: Als Kind sah sie oft den

Therapiepf­erden des Spitals auf der steirische­n Stolzalpe bei der Arbeit mit Patienten zu und sehnte sich schon immer nach einem eigenen Bauernhof.

Wer will schon einen Partner mit Kamelen?

Und dann spielte ihr das Schicksal – besser gesagt eine Internet-Partnerbör­se – vor sieben Jahren ihren künftigen Ehemann zu: Heinz gibt zu, dass er nicht ganz ehrlich war in seinem Bewerbungs­inserat.

„Zum Glück“, sagt Astrid heute lachend. „Denn er erwähnte zwar, dass er Architekt ist und Tiere mag, er machte sich aber zum einen ein paar Jahre jünger. Und zum anderen ließ er seine drei Kamele dezent unter den Tisch fallen.“

Heinz ergänzt: „Hätte ich gesagt, dass ich nach einem Besuch bei einem Wanderzirk­us in Wiener Neustadt daheim Kamele habe, hätte mich wohl jede interessie­rte Dame für verrückt erklärt. Das schien mir nicht hilfreich.“

Astrid ließ sich von den seltsamen Haustieren ihres „Schatzes“nicht abschrecke­n. Im Gegenteil: Sie hat sich das Wollspinne­n selbst beigebrach­t und verwandelt nun das anfallende Kamelhaar in Strickwoll­e, Patschen und Hüte sowie Bettdecken und Polster.

Astrid: „Wenn ich dann vom Spinnrad aufschaue und auf der anderen Seite vom Zaun die gemütlich wiederkäue­nden Kamele beobachte, fühl ich mich wie im Paradies.“

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Astrid Pongratz auf Kamelstute „Soraja“(5) vor der Kulisse der Hohen Wand (re.) und im Gespräch mit dem Autor (u.).
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