Reiten wie die Drei Könige
Wir reisen durchs Land und stellen die schönsten Plätze Österreichs vor. Heute Würflach im südlichen Niederösterreich.
Ineinem Punkt sind sich die Geschichtsschreiber recht einig: Wenn es die Heiligen Drei Könige als Gabenbringer für das Jesus-Kind tatsächlich gegeben hat, dann sind sie ziemlich sicher nicht – immer dem Stern nach – den weiten Weg aus dem Morgenland zu Fuß gegangen.
Esel und Pferd könnten ihnen bei der weiten Anreise geholfen haben. Und sicher mindestens ein Kamel – das genügsamste Lasttier seiner Zeit: Sparsam im Verbrauch und robust, würde man heute zu einem solchen „Gefährt“
sagen. Ideal für die Langstrecke.
„Aber bei der Darstellung in Krippen und auf Gemälden muss man ein bisschen aufpassen“, sagt Astrid Pongratz aus Würflach (NÖ) mit einem Schmunzeln. „Denn Kamel ist nicht gleich Kamel!“
Nur mit einem Höcker ging es nach Bethlehem
Astrid muss es wissen, denn sie und ihr Mann betreiben mit derzeit acht Tieren eine kleine Kamelfarm im südlichen Niederösterreich. Die Sache ist also die: Nur das einhöckrige, das
Dromedar, stammt aus dem arabischen Raum, aus dem die Heiligen Könige ihre Reise nach Bethlehem angetreten haben sollen. Alles mit zwei Höckern heißt Trampeltier und kommt aus Zentralasien, also zum Beispiel der Mongolei, wo die Nomaden bis heute mit Kamelen und vollem Gepäck durch die Steppe ziehen.
Trotzdem glauben viele Passanten dieser Tage, dass die Heiligen Drei Könige unterwegs sind, wenn Astrid und Heinz Pongratz ihre zweihöckrigen Trampeltiere bei schönem Wetter in einer kleinen Karawane über die gefrorenen Felder von Würflach mit herrlichem Ausblick auf die Hohe Wand spazieren führen.
Gerade jetzt in der kalten Jahreszeit, erzählt Astrid, die eigentlich von der Stolzalpe bei Murau stammt und diplomierte Krankenpflegerin ist, seien die Tiere besonders prächtig. Das wärmende Fell, das sie ja im Winter in ihrer Heimat genauso brauchen, ist flauschig und dicht. Und die stolzen Reittiere, die ausgewachsen zwischen 800 und 1000 Kilo wiegen, fühlen sich bei uns im Freien pudelwohl (wenn man bei Kamelen so sagen darf).
Ein ruhiges Trampeltier hilft unruhigen Kindern
Astrid lebt mittlerweile für diese außergewöhnlichen Tiere, pflegt und hegt sie, reitet sie zu und freut sich über den Nachwuchs in der Kamelherde. Außerdem bietet sie den Kontakt mit den ruhigen, intelligenten und
genügsamen Kamelen zur Entspannung und als Erlebnis für Besucher an (bitte nur nach Voranmeldung, Tel.: 0664/242 86 06).
„Wir haben festgestellt“, erzählt Astrid, „dass der Kontakt mit diesen Tieren sehr schönen Einfluss auf Menschen mit Beeinträchtigungen hat. Die Gelassenheit eines Kamels bringt selbst hyperaktive Kinder runter. Und wenn man einmal oben sitzt und reitet und das sprichwörtliche Wüstenschiff gemächlich im Schritt zu schaukeln beginnt, dann entspannt sich so ziemlich jeder.“
„Schuld“an der überraschenden Wendung der zweifachen Mutter von der Krankenpflegerin zur Kamelpflegerin sind zwei Dinge: Als Kind sah sie oft den
Therapiepferden des Spitals auf der steirischen Stolzalpe bei der Arbeit mit Patienten zu und sehnte sich schon immer nach einem eigenen Bauernhof.
Wer will schon einen Partner mit Kamelen?
Und dann spielte ihr das Schicksal – besser gesagt eine Internet-Partnerbörse – vor sieben Jahren ihren künftigen Ehemann zu: Heinz gibt zu, dass er nicht ganz ehrlich war in seinem Bewerbungsinserat.
„Zum Glück“, sagt Astrid heute lachend. „Denn er erwähnte zwar, dass er Architekt ist und Tiere mag, er machte sich aber zum einen ein paar Jahre jünger. Und zum anderen ließ er seine drei Kamele dezent unter den Tisch fallen.“
Heinz ergänzt: „Hätte ich gesagt, dass ich nach einem Besuch bei einem Wanderzirkus in Wiener Neustadt daheim Kamele habe, hätte mich wohl jede interessierte Dame für verrückt erklärt. Das schien mir nicht hilfreich.“
Astrid ließ sich von den seltsamen Haustieren ihres „Schatzes“nicht abschrecken. Im Gegenteil: Sie hat sich das Wollspinnen selbst beigebracht und verwandelt nun das anfallende Kamelhaar in Strickwolle, Patschen und Hüte sowie Bettdecken und Polster.
Astrid: „Wenn ich dann vom Spinnrad aufschaue und auf der anderen Seite vom Zaun die gemütlich wiederkäuenden Kamele beobachte, fühl ich mich wie im Paradies.“