Hässlicher Streit an den Gräbern
Der aktuelle Streit zwischen Polen und Russland über die Vorgeschichte des Zweiten Weltkriegs überschattete das Gedenken an den Holocaust. Polen hatte seine Teilnahme in Jerusalem wegen Putin abgesagt, und Russland wird am 27. Jänner bei der internationalen Gedenkfeier in Auschwitz nur durch den Botschafter vertreten sein.
Ursache ist der Streit über Geschichtsfälschung, der zwischen den beiden Staaten tobt. Putin hatte Polen eine indirekte Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs und Antisemitismus vorgeworfen. Der seinerzeitige Botschafter in Berlin, so der Kremlchef, habe sich dem Nazi-Regime angebiedert und sei ein „antisemitisches Schwein“gewesen.
Die Regierung in Warschau kontert Putin mit dem Vorwurf des HitlerStalin-Pakts zur Teilung Polens und des sowjetischen Einmarsches drei Wochen nach dem deutschen Angriff: „Polen in den Rücken gefallen.“Und im Hinblick auf den „Tag des Sieges“zu 75-Jahre-Kriegsende am 9. Mai in Moskau erinnert Polen an sowjetische Kriegsverbrechen wie die Ermordung von 11.000 polnischen Kriegsgefangenen in Katyn.
Solche Schatten fallen auf Trauerfeiern wie jene in Jerusalem, wenn Politik die Macht über Erinnerung an sich reißt. Wenigstens keine Gefahr der Umdeutung der Geschichte musste gestern jene Trauerfeier mit Putin befürchten, welche an die eine Million Hungertote der Belagerung von Leningrad durch deutsche Truppen erinnerte.