Nicht stillstehen
Als Junglehrerin wollte ich Privatschulen abschaffen und Gesamtschule, Kindergarten und Ganztagsschulen für alle einführen. Auf diesem Weg, dachte ich zumindest, könnte man alle Probleme dieser Gesellschaft lösen. Differenzierte Lehrpläne und Schulformen empfand ich als diskriminierend. An staatlichen Schulen sollten Kinder nicht nach ihren Leistungen getrennt werden, egal, welche Ausgangssituation sie haben. Ich hatte viele Gleichgesinnte unter Wiener Lehrern.
Die Gesellschaft veränderte sich, und die Herausforderungen wurden größer. Während viele meiner „Mitstreiter“in der Personalvertretung der sozialdemokratischen Linie treu blieben, zweifelte ich immer mehr daran. Kritik übte ich anfangs nur intern, ich wollte schließlich dazugehören. Als der Druck zu groß wurde, ging ich an die Öffentlichkeit.
Zu viel Ideologie schadet Kindern wie Lehrern. Seit Jahrzehnten betrachten wir Schüler als Versuchskaninchen. Was Kinder tatsächlich brauchen, bleibt auf der Strecke: qualifizierte Betreuung im Kindergarten, Ganztagsschule, differenzierten Unterricht mit Leistungsanforderungen.
Ein staatliches Schulsystem ist mir immer noch wichtig. Das ideologische Korsett, das für Leiter und Lehrer immer enger wird, schränkt uns zunehmend ein. Nach dreißig Jahren im Schuldienst bin ich weder „rote“noch „schwarze“Lehrerin. Dass ich mir damit nicht überall Freunde mache, ist der Preis. Über Probleme schweigen werde ich nämlich nie wieder.