Von Gaumenspiel und Sinnestäuschung
Warum schmeckt der Wein im Urlaub oftmals besser? Weil nicht nur die Zunge für den Geschmack zuständig ist. Ein Besuch bei Dr. Klaus Dürrschmid offenbart Spannendes aus der Lebensmittelsensorik.
Kennen Sie dieses Gefühl? Im Urlaub hatte er doch so gut geschmeckt, der resche Weißwein in dem kleinen Restaurant auf einer Piazza in Italien. Doch zu Hause die bittere Enttäuschung – der mitgebrachte Wein ist eigentlich viel zu sauer.
Ein Rätsel, für das die Lebensmittelsensorik die Lösung hat, wie Dr. Klaus Dürrschmid im SensorikLabor an der BOKU Wien verrät. Schmecken ist mehr als nur ein Gaumenspiel. Denn wie wir Lebensmittel genießen, hängt nicht alleine von den Grundgeschmacksarten auf der Zunge ab. Da spielen alle Sinne zusammen – Geruch, Aussehen, Geräusche, die Temperatur, die Struktur. Und natürlich auch die Situation. Im Urlaub also, wenn z. B. der Duft von Zypressen in der Luft hängt, die Abendluft angenehm warm ist, wir weniger Stress empfinden als im Alltag, sind wir empfänglicher für sinnliche Genüsse als daheim. Und der Wein schmeckt damit besser als zu Hause.
Geruch von Vanille erinnert an Kindheit
Die Nerven zu reizen ist nicht immer eine gute Idee. Wenn es um kulinarische Genüsse geht, schadet es oft ganz und gar nicht. Denn dass wir die Chili als scharf, den Sekt als prickelnd und den Kren als brennend empfinden, hat nichts mit dem Geschmackssinn zu tun – es sind trigeminale Wahrnehmungen, die über die Reizung des Nervus Trigeminus (Drillingsnerv) entstehen. „Ich nenne ihn auch gerne den Sado-Maso-Nerv“, lacht Dürrschmid, „weil er uns Schmerz und Lust zugleich bereiten kann.“
Interessant sind auch Assoziationen, die wir mit Lebensmitteln verbinden. So erinnert der Geruch von Va
nille die meisten an die Kindheit, wogegen Nussund Gurkenaroma eher mit dem Alter in Verbindung gebracht werden. „Das macht das Vanillekipferl, mal ganz abgesehen davon, dass es gut schmeckt, so besonders – es vereint die Vanille und damit das Glück der Kindheit, mit der Nuss, die an die Weisheit des Alters erinnert“, schmunzelt er.
Erinnerungen beeinflussen unser Geschmacksempfinden sehr stark. Und das kann man sich zunutze machen – indem man die Situation
des Urlaubs zuhause nachahmt. Mit feinem italienischem Essen, z. B., ähnlicher Musik – und einem stressfreien Ambiente. Dann schmeckt vielleicht auch der Wein wieder so gut wie in der Erinnerung.
Bessere Wahrnehmung führt zu mehr Genuss
Viele fürchten ja, dass unser Geschmacksempfinden durch die Aromastoffe, die Lebensmitteln mittlerweile zugesetzt werden, degenerieren wird. Über die Entwicklung der Wahrnehmungsfähigkeit gebe es aber nicht genug Daten, bekennt Dürrschmid. Wir wissen nicht, wie intensiv die Menschen etwa zu Mozarts Zeiten geschmeckt haben. Der Wissenschafter rät jedoch, Gerüche und Geschmäcker zu trainieren, sie intensiver zu erleben. Bewusst an Kräutern zu riechen, verschiedene Zutaten herauszuschmecken. Denn eine bessere Wahrnehmung führt zu mehr Genuss – und damit zu einem glücklicheren Leben.