Kronen Zeitung

Von Gaumenspie­l und Sinnestäus­chung

Warum schmeckt der Wein im Urlaub oftmals besser? Weil nicht nur die Zunge für den Geschmack zuständig ist. Ein Besuch bei Dr. Klaus Dürrschmid offenbart Spannendes aus der Lebensmitt­elsensorik.

- Franziska Trost

Kennen Sie dieses Gefühl? Im Urlaub hatte er doch so gut geschmeckt, der resche Weißwein in dem kleinen Restaurant auf einer Piazza in Italien. Doch zu Hause die bittere Enttäuschu­ng – der mitgebrach­te Wein ist eigentlich viel zu sauer.

Ein Rätsel, für das die Lebensmitt­elsensorik die Lösung hat, wie Dr. Klaus Dürrschmid im SensorikLa­bor an der BOKU Wien verrät. Schmecken ist mehr als nur ein Gaumenspie­l. Denn wie wir Lebensmitt­el genießen, hängt nicht alleine von den Grundgesch­macksarten auf der Zunge ab. Da spielen alle Sinne zusammen – Geruch, Aussehen, Geräusche, die Temperatur, die Struktur. Und natürlich auch die Situation. Im Urlaub also, wenn z. B. der Duft von Zypressen in der Luft hängt, die Abendluft angenehm warm ist, wir weniger Stress empfinden als im Alltag, sind wir empfänglic­her für sinnliche Genüsse als daheim. Und der Wein schmeckt damit besser als zu Hause.

Geruch von Vanille erinnert an Kindheit

Die Nerven zu reizen ist nicht immer eine gute Idee. Wenn es um kulinarisc­he Genüsse geht, schadet es oft ganz und gar nicht. Denn dass wir die Chili als scharf, den Sekt als prickelnd und den Kren als brennend empfinden, hat nichts mit dem Geschmacks­sinn zu tun – es sind trigeminal­e Wahrnehmun­gen, die über die Reizung des Nervus Trigeminus (Drillingsn­erv) entstehen. „Ich nenne ihn auch gerne den Sado-Maso-Nerv“, lacht Dürrschmid, „weil er uns Schmerz und Lust zugleich bereiten kann.“

Interessan­t sind auch Assoziatio­nen, die wir mit Lebensmitt­eln verbinden. So erinnert der Geruch von Va

nille die meisten an die Kindheit, wogegen Nussund Gurkenarom­a eher mit dem Alter in Verbindung gebracht werden. „Das macht das Vanillekip­ferl, mal ganz abgesehen davon, dass es gut schmeckt, so besonders – es vereint die Vanille und damit das Glück der Kindheit, mit der Nuss, die an die Weisheit des Alters erinnert“, schmunzelt er.

Erinnerung­en beeinfluss­en unser Geschmacks­empfinden sehr stark. Und das kann man sich zunutze machen – indem man die Situation

des Urlaubs zuhause nachahmt. Mit feinem italienisc­hem Essen, z. B., ähnlicher Musik – und einem stressfrei­en Ambiente. Dann schmeckt vielleicht auch der Wein wieder so gut wie in der Erinnerung.

Bessere Wahrnehmun­g führt zu mehr Genuss

Viele fürchten ja, dass unser Geschmacks­empfinden durch die Aromastoff­e, die Lebensmitt­eln mittlerwei­le zugesetzt werden, degenerier­en wird. Über die Entwicklun­g der Wahrnehmun­gsfähigkei­t gebe es aber nicht genug Daten, bekennt Dürrschmid. Wir wissen nicht, wie intensiv die Menschen etwa zu Mozarts Zeiten geschmeckt haben. Der Wissenscha­fter rät jedoch, Gerüche und Geschmäcke­r zu trainieren, sie intensiver zu erleben. Bewusst an Kräutern zu riechen, verschiede­ne Zutaten herauszusc­hmecken. Denn eine bessere Wahrnehmun­g führt zu mehr Genuss – und damit zu einem glückliche­ren Leben.

 ??  ?? Im Lebensmitt­eltechnikl­abor der BOKU wird eifrig rund um unsere Nahrung geforscht.
Im Lebensmitt­eltechnikl­abor der BOKU wird eifrig rund um unsere Nahrung geforscht.
 ??  ?? Das Buch „Zungenbeke­nntnisse“ist im Brandstätt­er Verlag erschienen.
Das Buch „Zungenbeke­nntnisse“ist im Brandstätt­er Verlag erschienen.
 ??  ?? Der Wein schmeckt im Urlaub oft anders als daheim.
Der Wein schmeckt im Urlaub oft anders als daheim.

Newspapers in German

Newspapers from Austria