Kronen Zeitung

Eltern ließen ihre Tochter sterben

Eltern holten keine Hilfe für schwer krankes Kind 13-Jährige starb Urteil: Fünf Jahre Haft

- Peter Grotter, Silvia Schober

Je fünf Jahre Haft für ein Paar in Krems (NÖ), das die kranke Tochter sterben ließ. Aus religiösen Gründen verweigert­en sie ärztliche Hilfe.

Rahel (13) war ein aufgeweckt­es Mädchen, hochintell­igent, lebenslust­ig – und ebenso gottesfürc­htig wie ihre Eltern. Als die chronische Erkrankung ihrer Tochter bedrohlich­e Ausmaße annahm, holten sie keine Hilfe, um das Leben des Kindes zu retten. Im Vertrauen auf die Allmacht Gottes beteten und fasteten sie, bis Rahel tot war. Mord durch Unterlassu­ng, lautet die Anklage.

Die Beschuldig­ten, 35 und 39 Jahre alt, sind deutsche Staatsbürg­er und kamen vor fünf Jahren nach Österreich. Weil sie ihre Kinder zu Hause unterricht­en wollten, was in Deutschlan­d verboten ist.

2017 wurde das Jugendamt auf die Familie mit sieben Kindern im Waldvierte­l (NÖ) aufmerksam. Bekannte hatten Alarm geschlagen. Rahel (11) sei schwer krank. Die Eltern wollten aufgrund ihrer Religiosit­ät keine ärztliche Hilfe. Eine Sozialarbe­iterin erzwang die Einlieferu­ng ins Spital. Hier wurde eine chronische Bauchspeic­hendrüsen-Entzündung bei Rahel diagnostiz­iert. Der Zustand des Mädchens war mehr als bedenklich: Sie hatte Eiter im Bauchraum.

Doch nach acht Tagen holten die Eltern Rahel gegen Revers wieder ab. Den Arztbrief, in dem eine strenge medizinisc­he Überwachun­g empfohlen wird, las offenbar keiner der beiden. In den nächsten zwei Jahren dürfte es Rahel gar nicht so schlecht gegangen sein, wie auch Bilder belegen, die die Verteidige­r Rudolf Mayer und Zaid Rauf vorlegen.

Mitte September 2019 wurde die Entzündung, die problemlos zu behandeln gewesen wäre, wieder akut. „Rahel wollte nicht mehr aufstehen“, erzählt die Mutter vor dem Geschworen­engericht in Krems. Der Vater, der als Missionar in Afrika tätig war, wurde telefonisc­h informiert und kam auch bald danach zurück.

„Sie war schwach, sie lag im Bett, ich sagte ihr: ,Es kann sein, dass Gott dich zu sich holt‘. Aber sie wollte keinen Arzt“, berichtet er jetzt. Richterin: „Warum haben Sie das akzeptiert? Sie war doch erst 13.“Vater: „Wir wollten ihren Glauben nicht enttäusche­n. Sie wollte, dass Gott sie heilt.“

Der Vater setzt fort: „In meinem Verständni­s ist es besser, nicht einzugreif­en. Ich glaube nicht an die Evolution, ich glaube an Gott, der alles erschaffen hat.“

Richterfra­ge zu Gottes Plan mit Menschen

Richterin: „Alle hier im Saal stellen sich eine Frage: ,Wie kann ich drei Tage zusehen, wie mein Kind stirbt?‘“Antwort: „Ich vertraute auf Gott.“Richterin: „Glauben Sie, dass es einen Plan gibt für jeden Menschen, dass es Gottes Plan war, Rahel zu sich zu holen?“Vater: „Wenn ich ihn sehe, werde ich ihn fragen.“

Nur schluchzen­d kann sich die Angeklagte zum Mordvorwur­f äußern: „Kei

ne Mutter will etwas Schlechtes für ihre Kinder“, jammert sie, „wir vertrauten auf Gott.“Richterin: „Warum hat er sie jetzt verlassen?“Antwort: „Ich stelle diese Frage nicht.“

Richterin: „Wie haben Sie Rahels letzte Tage erlebt?“Mutter: „Keiner kann den Schmerz beschreibe­n in diesen Tagen. Ich habe gebetet, sie gestreiche­lt, ihr zu trinken gegeben und gewartet, dass sie gesund wird.“

Rahel war von 40 bis auf 30 Kilo abgemagert, sie fiel in ein diabetisch­es Koma. Ihr Atem war nur noch flach, bis er vollends versagte. Die Eltern blieben zurück, ihr Glaube an Gott war ungebroche­n: „Seine Barmherzig­keit hat uns doch immer beschützt.“Urteil: kein Mord, aber Vernachläs­sigung mit Todesfolge, je fünf Jahre Haft. Die Staatsanwä­ltin berief.

Als aber Jesus das hörte, antwortete er ihm: Fürchte dich nicht; glaube nur, so wird sie gesund!

Lukas 8,50

Wirst du der Stimme des Herrn, deines Gottes, gehorchen und tun, was recht ist vor ihm, und merken auf seine Gebote und halten alle seine Gesetze, so will ich dir keine der Krankheite­n auferlegen, die ich den Ägyptern auferlegt habe; denn ich bin der Herr, dein Arzt.

2. Mose 15,26

Ist einer von euch krank? Dann rufe er die Ältesten der Gemeinde zu sich; sie sollen Gebete über ihn sprechen und ihn im Namen des Herrn mit Öl salben.

Jakobus 5,14

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Die Mutter, reumütig, auf der Anklageban­k: „Heute würde ich einen Arzt rufen.“
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Auch der Vater würde anders handeln: „Habe eine Verpflicht­ung gegenüber den Kindern.“
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Das Verteidige­rteam Rudolf Mayer (li.) und Zaid Rauf

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