Kronen Zeitung

Knieweich geworden

- Josef Höller, per E-Mail

Josep Borrell, Vizepräsid­ent der EU-Kommission, erlaubte sich, die Ernsthafti­gkeit infrage zu stellen, mit der Klimademon­stranten das Thema angehen. Er sagte: „Die Vorstellun­g, dass junge Leute ernsthaft entschloss­en sind, den Klimawande­l zu stoppen – wir könnten es das ,Greta-Syndrom‘ nennen – erlauben Sie mir meine Zweifel.“Das sind in Zeiten wie diesen und erst recht zu dem Thema, und wenn man obendrein die „Klima-Ikone“Greta Thunberg attackiert, mutige Worte. Gratulatio­n! Herrn Borrells Zweifel werden sicher von vielen Menschen geteilt, und er hat sicher auch recht mit seiner Vermutung, dass viele der jungen und lauten Aktivisten nicht bereit sein werden, auf Dauer ihren persönlich­en Lebensstan­dard so zu senken und zu ändern, wie sie es auf Demos von den Menschen fordern.

Die EU will in den nächsten Jahren eine Billion, also 1000 Milliarden Euro, in den Klimaschut­z investiere­n. Das ist ein mehr als sehr hochgestec­ktes Ziel – von der Summe der Finanzmitt­el

her, aber auch von dem Gesichtspu­nkt her, dass es keine Garantie dafür gibt, dass man mit Geld den Klimawande­l stoppen oder gar umkehren kann. Der EUKommissi­on ist, so wie allen anderen Regierunge­n auch, natürlich bewusst, dass die Wirtschaft nicht von heute auf morgen auf klimaneutr­al umgestellt werden kann. Man kann die Wirtschaft aber auch nicht einfach so wegen des Klimas, niederfahr­en. Und das Dümmste wäre, die Wirtschaft niedersitz­en, zufahren, um den jungen und lauten Aktivisten beweisen zu können, dass ihre Forderunge­n überzogen sind.

Borrells Äußerungen haben Wut und Empörung ausgelöst; mehr als Zustimmung. Wut und Empörung nicht nur bei der „FFF-Bewegung“, sondern sogar bei den Grünen im EU-Parlament. Die eigentlich nicht für eine Klimabeweg­ung dort sondern die Interessen ihrer Wähler vertreten sollen. Und nachdem ein Sprecher der EU-Kommission erklärt hat, dass die EU „definitiv“hinter dem „Green Deal“stehe, der die Bemühungen der Jugendlich­en „anerkennt und unterstütz­t“, hätte die Sache eigentlich erledigt sein müssen. Aber nein; Herr Borrell ruderte trotzdem zurück, entschuldi­gte sich wegen seiner „unangebrac­hten Äußerung“.

Traut sich heutzutage niemand mehr, zu seinen Äußerungen zu stehen, muss man sich beim geringsten Gegenwind sofort knieweich entschuldi­gen? Selbst auf die Gefahr hin, sich dadurch lächerlich zu machen?

 ??  ?? Josep Borrell, Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, hatte die Ernsthafti­gkeit junger Klima-Aktivisten bezweifelt. Jetzt hat er sich für seine Äußerung entschuldi­gt.
Josep Borrell, Vizepräsid­ent der Europäisch­en Kommission, hatte die Ernsthafti­gkeit junger Klima-Aktivisten bezweifelt. Jetzt hat er sich für seine Äußerung entschuldi­gt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria