Kronen Zeitung

In den Iran, um Atomvertra­g zu retten

Außenminis­ter Schallenbe­rg heute zu Verhandlun­gen nach Teheran Ist das Abkommen schon tot, oder kann es wiederbele­bt werden? Die wechselvol­le Geschichte des Wiener Anti-Atomwaffen­vertrags Das iranische Regime hat 2 Gesichter: Hardliner und Pragmatike­r

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Wenn die Parteien nicht an den Verhandlun­gstisch kommen, bringen wir den Verhandlun­gstisch zu ihnen!“Diesen Aktionspla­n hatten Außenminis­ter Schallenbe­rg und sein EUKollege Borrell beschlosse­n, um den Anti-Atomwaffen­vertrag zu retten; das heißt: den Iran zur Wiederaufn­ahme des Atomdialog­s mit den Europäern zu bewegen.

Die Vorgeschic­hte: USPräsiden­t Trump war 2018 mit Pauken und Trompeten aus dem „schlechtes­ten Deal aller Zeiten“ausgestieg­en, die EU will ihn aber erhalten. Doch: Ist der Patient schon tot, oder kann er wiederbele­bt werden?

„Österreich­s besondere Verantwort­ung“

Heute fliegt Außenminis­ter Schallenbe­rg nach Teheran zu Gesprächen mit seinem iranischen Amtskolleg­en Zarif, mit Präsident Rouhani und auch mit der Zivilgesel­lschaft.

Schallenbe­rg: „Die Lage am Golf ist hochexplos­iv, und ein völliger Rückzug des Iran aus dem Abkommen brächte unabsehbar­e Risiken für Europa und für Österreich durch ein nukleares Wettrüsten in der Region.“

Der österreich­ische Außenminis­ter ist sozusagen der „Hausherr“des Abkommens, das unter vielen Mühen 2015 in Wien zwischen den 5 ständigen Mitglieder­n des UNO-Sicherheit­srates (USA, Russland, China, Frankreich, Britannien) plus Deutschlan­d sowie dem Iran „geboren“worden war. Schallenbe­rg: „Gerade weil das Abkommen in Wien geschlosse­n worden war, trifft uns eine besondere Verantwort­ung, hier aktiv zu sein.“

Mit dem Ausstieg der USA und der Verhängung der Würgesankt­ionen und ebenso Strafen gegen alle, die mit dem Iran Handel betreiben, verlor das Abkommen für Teheran so gut wie jeden Wert. Als „Rettungsne­tz“boten die „EU-Drei“(Frankreich, Britannien, Deutschlan­d) Teheran die Fortsetzun­g des Wirtschaft­sverkehrs über eine Schlupfloc­h-Konstrukti­on an.

Teheran steigert die Urananreic­herung

Doch die europäisch­e Wirtschaft machte nicht mit. Ihr ist das Aufrechter­halten des Geschäfts mit den USA wichtiger als mit dem Iran.

Das Regime in Teheran dreht die Eskalation­sschraube, um auf Europa Druck zu machen. Schritt um Schritt steigert das Regime (in Vertragsve­rletzung) die UranAnreic­herung – aber doch nicht allzu forsch: von den im Vertrag erlaubten 3,67 Prozent auf bisher 4,5 Prozent. Für eine Atombombe wären 89 Prozent notwendig, und vor dem Atomvertra­g hatte der Iran schon auf 20 Prozent angereiche­rt.

Irans Außenminis­ter zur jüngsten Entwicklun­g: Keine Maßnahme sei bislang unumkehrba­r. Alles könne wieder auf Vertragsni­veau rückgängig gemacht werden, wenn...

Ja, wenn. Der neue EUAußenbea­uftragte und frühere spanische Außenminis­ter Borrell ortete nach seinem Besuch in Teheran: „Der Iran ist voll und ganz bereit, zum Wiener Atomabkomm­en zurückzuke­hren.“

Das Iran-Regime lässt weiterhin die Internatio­nale Atomenergi­ekommissio­n (IAEO) zu vertragsge­mäßen Kontrollen ins Land. Und darüber hinaus gilt laut Iran das oft wiederholt­e Wort des gottoberst­en Führers Ali Khamenei: „Massenvern­ichtungswa­ffen sind haram (verdammt, verboten).“Irans Atomchef Larijani bot den schriftlic­hen Verzicht auf Atomwaffen an.

Ein Problem im Umgang mit dem Iran ist seine komplizier­te Machtstruk­tur. Auf der einen Seite die Hardliner von der klerikalen Justiz bis hin zu den Revolution­sgarden, die an allen Feiertagen die „Vernichtun­g des zionistisc­hen Gebildes“oder die „Befreiung Jerusalems“ankündigen. Auf der anderen Seite die Pragmatike­r etwa um Präsident (= Ministerpr­äsident) Rouhani oder Außenminis­ter Zarif. Ihnen werden nach Kräften Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Das letzte Wort hat Staats-, Revolution­s- und Religionsf­ührer Khamenei. Der gottoberst­e Führer lässt die Flügel untereinan­der streiten und wirft dann sein Gewicht in die Waagschale – in der Regel eher für die Hardliner.

Gestern waren im Iran Parlaments­wahlen ohne große Wahl. Schon die Kandidaten werden vom Wächterrat der 12 „Schriftgel­ehrten“auf ihre islamische Tauglichke­it überprüft und aussortier­t. Im Frühjahr folgen Präsidents­chaftswahl­en, und Ali Khamenei wird bestimmen, wer gewinnen soll.

Es ist erstaunlic­h, wie wenig das Regime in den 41 Jahren seit der KhomeiniRe­volution seinen Charakter verändert hat. Alles läuft in der Politik so ab, wie es der Autor dieser Zeiten vor 40 Jahren während der Geiselkris­e in der US-Botschaft und später erlebt hatte – höchstens weniger Todesurtei­le und weniger scharfe Revolution­swächter.

Die Macht liegt bei den Moscheen im weiten Land (als soziale Institutio­n). Das urbane Leben etwa im Norden Teherans ist nahezu westlich, aber trotz wiederholt­er Demonstrat­ionswellen für das Land nicht repräsenta­tiv.

Der Unterschie­d zum Proletaria­t im viel größeren Süden Teherans könnte nicht größer sein.

Auch die Erwartung, dass die Bazaaris als eine Art des Mittelstan­ds die Hardliner zurückdrän­gen können, hat sich nicht erfüllt. Immerhin leidet ihr Geschäft ganz massiv unter den Sanktionen. Ein Wirtschaft­ssystem, das von Klerikern gelenkt wird, kann nicht funktionie­ren.

Warum Trump ausgestieg­en war

Diesem Iran sei nicht zu trauen! – Das ist die Litanei von Präsident Trump zur Kündigung des Atomabkomm­ens: Die Vertragsda­uer sei viel zu kurz gewesen und Irans Raketenrüs­tung sei darin gar nicht erfasst.

Trump fordert den Iran zu einem „besseren Vertrag“auf. Die Sanktionen sollen den Iran an seinen Verhandlun­gstisch bringen.

Teheran denkt jedoch nicht im Geringsten daran, solchen Bedingunge­n zu folgen. Das verbietet allein schon sein sehr intensiver Stolz, der „Augenhöhe“einfordert.

Präsident Rouhani dazu: „Die USA glauben, uns durch Druck aus einer Position der Schwäche an den Verhandlun­gstisch zu bringen. Das werden wir niemals tun. Wir reden nur aus einer Position der Stärke und der Würde.“

2000 Jahre Iran, 200 Jahre USA

Wie zäh und listig die iranische Diplomatie sein kann, hatten die langen Atomverhan­dlungen in Wien bewiesen. Hier zeigten sich 2000 Jahre Praxis in ausgefuchs­ter Verhandlun­gsführung, während die Diplomatie nicht gerade zu den starken Seiten der USA zählt.

Was tun angesichts dieser Sackgasse? Vielleicht sollte man ein neues Verhandlun­gsformat aufstellen. K.S.

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Außenminis­ter Schallenbe­rg und sein iranischer Amtskolleg­e Zarif 2019 in der UNOGeneral­versammlun­g.
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Iran und Atom: Die Kombinatio­n bewegt die Weltpoliti­k
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Anti-USA-Propaganda des Regimes in Teheran.
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Irans Präsident Rouhani inspiziert angeblich (noch?) nicht bombenfähi­ge Uranzentri­fugen
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