Die Eurofighter und wir Wutbürger
Der Kauf der Abfangjäger ist für Österreich zum Milliardengrab geworden. Die Dummen sind leider wir Steuerzahler. Viele Bürger sind wütend. Völlig zu Recht. Was aber sollen Wutbürger, die sich über Geldverschwendung und mögliche Korruption ärgern, tun?
Peter Filzmaier ist Professor für Politikwissenschaft an der Donau-Universität Krems und der Karl-Franzens-Universität Graz.
1. Der vernünftigste Ratschlag ist unbeliebt. Nämlich die Politik immer mit Sachargumenten kritisieren und nicht wild losschimpfen. Denn was soll das bringen? Wer seinem Tourettesyndrom nachgibt – Tourette ist der Drang, ordinäre Schimpfwörter zu gebrauchen –, erreicht gar nichts. Obwohl es in der Eurofighteraffäre verständlich wäre, die betroffenen Politiker Armlöcher zu nennen. Warum Armloch? Das Wort erinnert an etwas anderes, ist jedoch nicht als Beleidigung strafbar.
2. Warum es beim Eurofighterkauf so schwierig ist, auf der Sachebene zu bleiben? Die vermuteten Sauereien haben mit inhaltlichen Fragen, ob und welche Abfangjäger wir brauchen, nichts zu tun. Der Hersteller hat 55 Millionen Euro nicht deklarierte Zahlungen zugegeben. Selbst wenn alle Korruptionsvorwürfe falsch sind: ÖVP und FPÖ haben als Regierungsparteien 2002 Kaufverträge unterschrieben, die für Österreich eine Pleite sind. Die SPÖ hat entgegen ihrem Wahlversprechen 2006 die Flieger nicht abgeschafft, sondern finanziell verschlimmbessert.
3. Wolfgang Peschorn hat als Leiter der Generalprokuratur und „Anwalt der Republik“treffend gesagt, dass wir Österreicher uns sogar die Korruption
im eigenen Land mitfinanziert hätten. Wieso gibt ein Flugzeugkonzern derart viele Euromillionen aus? Wohl weil er sich umgekehrt ein noch größeres Geschäft erwartet. Derzeit sind 14 Lobbyisten und Briefkastenfirmen bekannt, die das Herstellergeld bekamen. Laut Peschorn geht es darum, an wen sie es weiterverteilt haben. Da soll man nicht eine Riesenwut auf Politiker bekommen?
4. Das soll man. Auf absolut jeden politischen Akteur, der korruptionsanfällig ist oder zumindest wegschaut. Der Haken für uns Wutbürger dabei: Es ist nun Sache der Staatsanwaltschaft und Gerichte herauszufinden, wer das war oder ist. Denn drei parlamentarische Untersuchungsausschüsse in mehr als einem Jahrzehnt zu den Eurofightern haben uns nicht weitergeholfen. Trotz oder gerade wegen des Misstrauens gegenüber der Parteipolitik müssen wir der Justiz vertrauen. Selbstjustiz ist immer falsch, und sei es nur in Form eines Standardsatzes je nach Parteivorliebe: „Es wissen eh alle, dass die Schwarzen (die Türkisen, die Roten, die Blauen) korrupte Schweine sind!“
5. Wenn man als Wutbürger den Namen eines nicht verurteilten Politikers hinzufügt, erfüllt das den Tatbestand der Verleumdung.
Es geht zudem um Folgendes, obwohl es schwerfällt: Pauschale (Vor-)Verurteilungen sind stets falsch! Auch bei Politikern, was empörten Lesern nicht gefallen wird. Doch insbesondere Wutbürger mit berechtigten Emotionen zur Politik würden sonst Gefahr laufen, unsere Gesellschaft selbst schlechter zu machen.
6. Welchen Beruf haben Sie? Wenn man „die Politiker“generalisierend abqualifiziert, machen andere das mit Ihrer Berufsgruppe genauso, und am Ende beschimpft jeder jeden auf das Übelste: Alle Frühpensionisten haben es sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung gerichtet. Alle Lehrer sind weltfremde Besserwisser, die einen Halbtagsjob mit 13 Wochen Urlaub im Jahr haben. Alle Beamten sind faule Schreibtischtäter, die um 15 Uhr nach Hause gehen. Und so weiter und so fort.
7. Es geht noch schlimmer: Alle Sozialhilfeempfänger sind arbeitsscheues Gesindel. Alle Priester sind Kinderschänder. Alle Juden müssen weg. Alle Ausländer stinken. Alle Frauen gehören an den Herd. Das sind lauter widerliche Extremismen, Rassismen oder Sexismen. Wenn wir solche strunzdummen Sager hoffentlich ausnahmslos ablehnen, dürfen wir auch bei den Eurofightern nicht sagen, dass alle Politiker korrupt sind.
8. Aber für Wutbürger prägen einzelne Negativbeispiele das Gesamtbild. Das ist nachvollziehbar, Wer freilich richtigerweise als Betroffener der eigenen Berufsgruppe eine pauschale Verunglimpfung dieser ablehnt, kann nicht verallgemeinernd anderen gegenüber genauso sein. Nicht einmal bei Politikern. Wie kommen übrigens Tausende Bürgermeister und Gemeinderäte dazu, mit Eurofighterpolitikern in einen Topf geworfen zu werden?
9. Die Moral der Geschichte wäre also, dass wir Wutbürger uns bei den Eurofightern auf die Justiz verlassen. Nur hat die Politik diese kaputt gespart und knapp gehalten: Jahrelang musste ein einziger Staatsanwalt ermitteln. Wenn nun der Bundeskanzler der Staatsanwaltschaft für Wirtschaftsund Korruptionssachen Parteilichkeit vorwirft, macht das keinen schlanken Fuß. Nicht bloß, weil die Kurz’sche ÖVP bei parteipolitischen Postenbesetzungen null besser als die SPÖ ist. Fällt Sebastian Kurz nicht auf, wie seltsam sein Verhalten rein zeitlich ausgerechnet am Höhepunkt der Untersuchungen von Casinos bis Eurofighter ist?