„Ich träume oft wie Schiele, mein Vater“
Sehen Sie Werke von Hundertwasser im Leopold Museum aus einem völlig neuen Blickwinkel – unter dem Einfluss seines tief verehrten „Lehrmeisters“Egon Schiele
Ich träume oft wie Schiele, mein Vater, von Blumen, die rot sind, und Vögeln und fliegenden Fischen und Gärten in Samt und Smaragdgrün und Menschen, die weinend in Rotgelb und Meerblau gehen.“1951 drückte Hundertwasser seine tiefe Verehrung für Egon Schiele in dem Gedicht „Ich liebe Schiele“aus.
Friedensreich Hundertwasser (damals noch Friedrich Stowasser) ist erst 19, als er in den Bann des großen österreichischen Malers gezogen wird – damals, als zu dessen 30. Todestag 1948 sein Gesamtwerk in Wien in den Fokus gerückt wird. Als Hundertwasser wenig später nach Paris reist, wird er in der dortigen Kunstszene zu einem der größten FürspreSchieles. „Um 1950 gab es natürlich schon den Mythos Schiele, auch im Kontext mit Klimt und Kokoschka. Aber Schiele war weitgehend noch ein österreichisches Phänomen“, so Hans-Peter Wipplinger, Direktor des Leopold Museum. Ein Umstand, den Hundertwasser ändern wollte. „Es ist wahr: Wer in Paris bekannt wird, wird in der Welt bekannt, denn Paris ist ,noch‘ die Hauptstadt der Malerei“, schrieb er damals in einem Brief an seine Mutter. „Doch das bedeutet noch nicht, dass diese Maler auch wirklich die besten sind. Ich bin beispielsweise sicher, dass Schiele Gauguin überragt, vielleicht sogar größer als Van Gogh ist? Jedenfalls war und ist er
der größte Zeichner dieses Jahrhunderts.“
Der Liebe zu Schiele blieb Hundertwasser sein Leben lang treu. 1962 brachte er zum Beispiel in der Ausstellung auf der Biennale die Wandschrift an: „Mein Optimismus kommt von Klimt, aber die tiefe Magie der Farbe, die mich leitet, kommt von Schiele.“Und Ende der 70er-Jahre erklärte er in einem ORF-Interview: „Schiele ist die Hauptfigur meiner Aspirationen. Schiele ist eigentlich der Maler, der mich sehr stark bewegt hat, dem ich alles verdanke. Zwar male ich ihn nicht ab, ich male nicht in seinem Stil, aber dieses gewisse Etwas, die Stimmung, die Atmosphäre, die Farben, diese gewisse Traurigkeit, dieses gecher
wisse Regnerische und das Trübe, das das wahre Glück ausmacht, das ist in Schiele zu finden. “
Die Ausstellung „Imagine Tomorrow“
„Im Leopold Museum wollen wir nicht einfach Ausstellungskonzepte wiederholen, wir möchten andere Blickwinkel eröffnen, ein neues Sehen ermöglichen. Als international bedeutendste Egon-SchieleSammlungsund Forschungsstätte ist es naheliegend, dass wir den Fokus auf den Dialog zwischen Hundertwasser und Schiele legen“, erklärt Wipplinger die Idee, die künstlerische und geistige Verwandtschaft der beiden zu beleuchten.
Es ist faszinierend zu entnoch
decken, wie sich Hundertwassers intensive Beschäftigung mit Schiele auf seine Werke auswirkte. Nicht nur in der Bildkomposition oder dem Umgang mit der Linie (Hundertwasser ist ja bekannt dafür, dass er die gerade Linie ablehnte, doch schon bei Schieles Stadtbildern finden sich weder gerade Linien noch rechte Winkel). Auch in den Motiven gibt es viele Parallelen. So bot z. B. die Natur für beide eine wichtige Inspiration.
Und beide haben den Künstler zum „Propheten“erhoben: „Sie haben die Kunst als heilsbringendes Medium gesehen, das uns dabei hilft, die Welt zu begreifen und sinnvoll wahrzunehmen“, meint Hans-Peter Wipplinger. Hundertwasser
selbst erklärte in seiner Staatspreisrede von 1981, die Aufgabe des Künstlers sei, „diese Welt zu erhalten, zu verbessern, was falsch gemacht wurde, zu verschönern, was hässlich gemacht wurde, zu warnen mit all seiner musischen und seherischen Macht“.