Viel Glitzerkram für Vermanschtes
Burgtheater: Bronfen/Gerstner, „This is Venice“nach Shakespeare, S. Nübling
„Wohl nicht aus der Pubertät gekommen“, ärgerte sich ein deutsches Ehepaar beim Verlassen der Premiere in der Pause vorm Theater. Wie wahr! Elisabeth Bronfen und Muriel Gerstner machten sich geschäftstüchtig an Shakespeare „ran“, pfuschten an „Othello“und „Der Kaufmann von Venedig“herum. Regisseur Sebastian Nübling (Jahrgang 1960) setzte mit Spaßkultur noch eins drauf.
„Ihr redet unendlich viel Müll“, bemerkt Antonio mittendrin im ersten, 130 Minuten dauernden Teil. Er hat den Nagel auf den Kopf getroffen. Elisabeth Bronfen (ihres Zeichens Kulturwissenschafterin) und Muriel Gerstner vermanschten die Stücke mit Schauplatz Venedig, versprachen auf der Burgtheater-Homepage und im Programmheft das „Zusammenführen einiger der schönsten Shakespeare-Figuren“, wollten zeigen, wie diese an „den dunklen Abgründen des Kampfes um Geld, Macht und Zugehörigkeit zerrieben werden“.
Die Version der beiden ist einfach nur platt, auch wenn Shakespeare dafür herhalten muss. Wer würde Desdemona als „verschwitzten kleinen Teufel“sehen wie hier Othello, als „Hure“im billigen Diskonterfummel und mit Bomberjacke. Gefühle und Schmerz bleiben „außen vor“, um im neuen Burgtheater-Jargon zu bleiben, auch dank der Schöpferinnen (Jahrgang 1958 und 1962). Ist es Jugendwahn der Babyboomer-Generation? Fragt sich nur, wie lange sich das Wiener Publikum „verarschen“lässt? Schon beginnt es, frustriert davonzulaufen!
Und was macht Regisseur Sebastian Nübling aus dem kruden Textkonglomerat, das keinen Charakter hervorkehrt, kein echtes Liebesgefühl zulässt, Macht und Intrige als sattsam bekannte Macho-Spielerei der Männer sieht? Es rumort wieder und wummert (Musik: Lars Wittershagen), es wird im Kreis gerannt, getänzelt und getändelt. Zuerst in schwarzen Unisex-Tüllröcken, später in Camouflage-Hosen, aber meist in einem geschmacklich merkwürdigen Wirrwarr zwischen Paillettenkleid und Klamotten (Kostüme: Pascale Martin).
Alles für die „Borsa“, die Börse, die im „Kaufmann“eine große Rolle spielt? Muriel Gerstner ist auch noch Bühnenbildnerin. Ihr glitzernder, halbrunder Vorhang grenzt die Bühne ab. Wäre ein schönes Ambiente für den Höhepunkt von „La Cage aux Folles“. Passt irgendwie als Käfig für das oft närrisch agierende Ensemble, das von Venedig so weit weg ist wie von Shakespeare: etwa Michael König als Othello mit Show-Federschmuck (Zaza würde vor Neid verblassen) oder Norman Hacker als Kasperl Jago. Neues Mittelmaß wird diesmal auch besonders frappant sicht- und hörbar – von Desdemona bis Shylock.