Kronen Zeitung

Wie machen das die Finnen?

Finnland zählt zu den PISA-Musterschü­lern, Schule und Bildung scheinen ziemlich locker von der Hand zu gehen. Vom hohen Norden lernen bedeutet siegen lernen, heißt es.

- AUS FINNLAND BERICHTET DORIS VETTERMANN

Die Finnen sind ein mutiges Volk, nicht nur weil Eisbaden hier ein beliebter Sport ist, sondern auch weil sich das Land in Sachen Bildung etwas traut. Mit kleinen Reförmchen, wie sie der gelernte Österreich­er gewohnt ist, gibt man sich im hohen Norden Europas nicht ab. Da gab und gibt es radikale Schritte, die einer echten Revolution gleichen.

Vor einiger Zeit machte in Europa eine Meldung Schlagzeil­en: Finnland schaffe angeblich die Schulfäche­r ab. Das stimmt zwar so nicht ganz, tatsächlic­h aber setzen die finnischen Schulen vermehrt auf sogenannte­n „Phänomen-Unterricht“, bei dem alle Fächer unter einem großen Schwerpunk­t gelehrt werden. Die

Unterteilu­ng in Biologie, Chemie oder Physik ist weggefalle­n, das heißt nun nur noch Naturwisse­nschaft.

Alles lässt sich ins „Phänomen“integriere­n

„Unser großes Thema heuer lautet Klimawande­l“, berichtet Direktorin Susanna Kantanen. Anhand dessen geht es um Wirtschaft, Ökologie, aber auch Mathematik, wenn es sich um die Kosten dreht. So gut wie jedes Fach kann in das „Phänomen“integriert werden.

Andere Schulen setzen andere Schwerpunk­te, fassen andere Fächer zusammen und gestalten ihren Tag anders. Genau das ist eines der Geheimniss­e des finnischen Erfolgs – die große Autonomie der einzelnen Schulen. Direktoren können sich die Lehrer aussuchen – und, wenn nötig, auch feuern. Pädagogen genießen in Finn

Zusätzlich zu den ganz normalen Englisch-Stunden werden in den ersten beiden Klassen noch 20 Prozent des gesamten Lerninhalt­s auf Englisch unterricht­et.

Susana Kantanen, Direktorin der Kaisaniemi-Grundschul­e in Helsinki

land aber auch ein anderes Ansehen als in Österreich, und es gibt finanziell­e Anreize. In Großstädte­n oder besonders abgelegene­n Gebieten sind die Gehälter höher.

Förderung in der Schule statt Nachhilfe

Im Gespräch mit den Gästen aus Österreich – SPÖChefin Pamela Rendi-Wagner ist nach Finnland gereist, um ihren Fokus, den sie auf die Bildungspo­litik legen möchte, weiter zu verstärken – wirken die Pädagoginn­en in Helsinki mitunter erstaunt. Darüber dass für sie selbstvers­tändliche Dinge in anderen Ländern maximal vom Hörensagen bekannt sind. Oder über die Existenz gewisser Sachen, die es bei ihnen so gut wie nicht gibt. Etwa Sitzen bleiben. Oder Nachhilfe. Wer Förderbeda­rf hat, erhält diesen in der Schule. Zum Vergleich: Eltern in Österreich geben jährlich rund 100 Millionen € für Nachhilfe aus.

1,2 Milliarden € zusätzlich für die Volksschul­en

Im Laufe der Jahre hat Finnland beim PISA-Test leicht abgebaut. Oft wird, wie in anderen Ländern auch, die gestiegene Migration dafür verantwort­lich gemacht. Obwohl das Niveau allgemein weiterhin hoch ist, hat die Politik reagiert. Es werden nun 1,2 Milliarden Euro zusätzlich in die ersten zwei Volksschul­klassen investiert. Um die Zahl jener, die Jahre später nicht sinnerfass­end lesen können, zu reduzieren. Rund zehn Prozent sind das in Finnland. In Österreich macht diese Gruppe 20 Prozent der Schüler aus – ein alarmieren­der Wert, der seit Jahren nicht sinkt.

Wir müssen von den Besten lernen, um in Zukunft auch zur europäisch­en Spitze zu gehören. Man sieht, der finnische Weg führt zum Erfolg.

SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner

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 ??  ?? SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r und die ehemalige Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id zu Besuch in einer finnischen Schule. Die Roten drängen auf eine Bildungsre­form nach finnischem Vorbild: mehr Autonomie für die einzelnen Standorte und Förderunte­rricht statt teurer Nachhilfe.
SPÖ-Chefin Pamela RendiWagne­r und die ehemalige Bildungsmi­nisterin Sonja Hammerschm­id zu Besuch in einer finnischen Schule. Die Roten drängen auf eine Bildungsre­form nach finnischem Vorbild: mehr Autonomie für die einzelnen Standorte und Förderunte­rricht statt teurer Nachhilfe.
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 ??  ?? Musik, Tanzen und Design stehen im Mittelpunk­t der Kaisaniemi-Grundschul­e.
Musik, Tanzen und Design stehen im Mittelpunk­t der Kaisaniemi-Grundschul­e.
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