China: Zweimal den gleichen Fehler gemacht
Coronavirus SARS: zweier Ausbreitung Epidemien, und weil sie anfangs vertuscht worden waren. Der Fehler liegt im totalitären System Chinas, während bei uns die „offene Gesellschaft“zeitgerecht aus Fehlern lernen kann.
Auf diese „Neue Seidenstraße“aus China hätte die Welt gern verzichtet: Sie nennt sich „Covid-19“. Und das hatte Chinas Staatschef Xi Jinping wohl auch nicht im Sinn, als er 2017 bei seinem großen Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos von dem „Aufbau einer Schicksalsgemeinschaft der Menschheit“sprach. Alles hätte nicht so arg gekommen müssen, hätte nicht das politische System Chinas die Ausbreitung des Coronavirus mindestens einen Monat lang vertuscht.
Normalerweise macht man einen Fehler nur einmal und lernt daraus. China hat es aber fertiggebracht, den Fehler zweimal zu machen: einmal 2003 bei SARS und jetzt bei Covid-19. Es ist also offenkundig, dass dieses Verhalten, diese Selbstschädigung und Gefährdung anderer, systemimmanent ist für einen totalitären Polizeistaat. Eine Diktatur, die sich ihre Erfolgspropaganda von keinen schlechten Nachrichten „verderben“lassen will, kann nicht anders handeln.
Chinaprofessor Dr. Gerd Kaminski hatte die SARSKrise in China erlebt und verfolgt seit Jahresbeginn die dortige Corona-Krise. Er vergleicht:
Als 2003 SARS-Symptome bereits bei einigen 100 Patienten in der südchinesischen Provinz Kanton aufgetreten waren, erklärte der Leiter des Gesundheitsamtes der Provinz: „Eine atypische Form von Lungenentzündung ist keine Krankheit, die meldepflichtig ist. Daher hatten wir keine Notwendigkeit gesehen, die Öffentlichkeit zu informieren.“
So schaffte die Seuche den Sprung nach Peking. Am 15. März kommt ein 70-jähriger Mann namens Li in das Dongzhimen-Krankenhaus in Peking. Die Diagnose lautet: Lungenentzündung und alte Tuberkulose . . . Zu dieser Zeit hatte das Militärkrankenhaus Nr. 301 einen SARS-Patienten mit acht Angehörigen aufgenommen, wodurch bereits eine Reihe von Ärzten und Schwestern infiziert worden war. Doch nichts davon war an andere Spitäler weitergegeben worden.
Geheimhaltung angeordnet
Der Direktor des Dongzhimen-Krankenhauses erklärte später Journalisten, dass er sich auf keinerlei Unterlagen mit Diagnosekriterien stützen konnte. Überall hatten die lokalen Behörden Geheimhaltung angeordnet, oder die Ärzte legten sich aufgrund der in China traditionellen Geheimhaltungsmanie eine Selbstzensur auf.
Am 18. 3. verstarb der Patient Li im DongzhimenKrankenhaus. Als vorläufig Letzten traf es den Leiter der Ambulanz, Dr. Liu. Er erholte sich nach drei Tagen, doch
seine Frau verstarb. Sie hatte ihn bloß zweimal besucht, um ihm Reisbrei zu bringen . . .
. . . Damit war der Weltöffentlichkeit nicht mehr zu verschweigen, dass das Virus die Hauptstadt erfasst hatte. Doch die Parole im Gesundheitswesen lautete „nei jin wai song“– nach innen scharfe Kontrolle, aber Unbekümmertheit nach außen.
In Kanton verdoppelten sich in der Zwischenzeit die Fälle von 305 auf 792 mit 31 Todesfolgen. Dennoch versuchte der Provinz-Parteisekretär, den alarmierenden Anstieg unter den Teppich zu kehren. Er gab seinen Beamten die Weisung, sie müssten erzieherische Maßnahmen ergreifen, damit die Bevölkerung freiwillig die soziale Stabilität aufrechterhalte und keine Gerüchte verbreitet würden. Das Hauptziel der Partei sei der Aufbau Chinas zu einer verhältnismäßig reichen Gesellschaft.
Schönung von Berichten und das Verschweigen von unangenehmen Tatsachen haben in der Geschichte der VR China schon mehrmals das Land ins Unglück gebracht. Man erinnere sich nur an den großen Sprung vorwärts, als lokale Parteisekretäre die Ernteergebnisse übertrieben, die nächsten Ebenen nochmals nach oben korrigierten, sodass die Zentrale schließlich völlig irreführende Statistiken über die Nahrungsmittelproduktion in Händen hielt. Dies war einer der Gründe für die große Hungersnot Anfang der sechziger Jahre.
Keine rechtzeitigen Gegenmaßnahmen
Im Fall des derzeit grassierenden Coronavirus war die Reaktion der chinesischen Behörden am Anfang ähnlich. Schon geraume Zeit in Wuhan im Dezember hatte das neue Virus die Aufmerksamkeit des Facharztes für Augenheilkunde, Li Wenliang auf sich gezogen. Er warnte im chinesischen Netz. Hierauf bekam er Besuch von der Polizei, die ihm nicht nur verbot, weitere
Meldungen zu verbreiten, sondern ihn überdies zur Unterschrift einer Unterlassungserklärung zwang.
Das verhinderte rechtzeitige Gegenmaßnahmen. Noch am 23. Januar versuchte man mit Meldungen zu beruhigen, dass ohnehin Maßnahmen getroffen würden.
Diesmal viel früher Kritik an Behörden
Es ist doch bemerkenswert, dass die Kritik am Behördenversagen dieses Mal viel früher und häufiger kommt als 2003 im Fall von SARS. Auch die Reaktionen auf Fehlverhalten von lokalen Parteifunktionären und Beamten fiel im Vergleich zu SARS rascher und gründlicher aus. Nicht nur die Leiter der Gesundheitsbehörden in Wuhan und anderen großen Städten Hubeis wurden entlassen, sondern auch der Provinzparteisekretär wurde abgesetzt. Dies steht ganz im Gegensatz zur Zeit von SARS.
Für die Reaktion der Bevölkerung in dieser Hinsicht lassen sich für SARS und die gegenwärtige Situation Ähnlichkeiten nachweisen. Basis dafür ist, dass die in China geltende Rechnung: Die Bevölkerung tauscht nicht wenige ihrer Rechte gegen Obsorge durch die Führung in den Fällen 2003 und 2019/20 nicht mehr gestimmt hat, weil der Schutz von oben ausblieb oder versagte.
Besonders kreidete man unter der Bevölkerung damals wie heute das Verhalten der Parteichefs an. Statt sich mit den Bürgern Pekings solidarisch zu zeigen, flüchtete Staatschef Jiang Zemin 2003 mit seinem Sohn in das weniger vom Virus befallene Schanghai, wobei er auch einen Sonderflughafen benützte.
Die Situation ist derzeit ähnlich. Wie in den letzten Wochen dem chinesischen Internet zu entnehmen war, beschwerten sich die Bürger lauthals darüber, dass von der Führungsspitze zum Thema Seuche die längste Zeit überhaupt nichts zu hören war. Einen schlechten Eindruck machte insbesondere Xi Jinping, weil er nicht wagte, nach Wuhan zu fliegen, um die dortige Bevölkerung zu trösten. Das Trösten der Menschen in Fällen von Katastrophen durch Zuspruch und Erscheinen der Obrigkeit gehört in China seit Jahrtausenden zum Sozialverhalten.
Während bei SARS die Kritik an Sprachregelung und Druck auf freie Meinung ziemlich spät kam, so wird sie schon seit Wochen befeuert durch das Schicksal von Dr. Li Wenliang und der anderen, welche starben, weil seine warnende Stimme unterdrückt wurde.