Weissagung in eigener Sache
Richter zum Angeklagten: „Sie betätigen sich als Wahrsager?“
„Ja, seit der Trennung von der Silvia Schneider vom Andreas Gabalier. I habs scho vorher gwusst und gstimmt hats! Seitdem waß i, dass i a gewisse hellseherische Begabung hab. Und warum soll i des net verwerten? Wo so vül Leit wissn wolln, was ihnen die Zukunft bringt.“
Richter: „Aber es scheinen Ihnen auch einige arge Irrtümer unterlaufen zu sein! Jedenfalls wurden Sie von zwei Ihrer ,Klienten‘, von denen Sie beachtliche Honorare kassierten, angezeigt.“
„Ja, bitte, da is amal des Fräuln Lara ausn Zwölferhaus. De is zu mir kumma und hat wissn wolln, obs der Tischler, mit dems scho zwa Jahr lang geht, endlich demnächst heiratn wird. Mein sechster Sinn hat gsagt: Ja!
Drauf hats a riesiche Freud ghabt und hat scho Kartln druckn lassn; und dann hat se herausgstellt, dass sie in andern Umständen is.
Leider net vom Tischler, weil, der war in der kritischn Zeit drei Monat lang im Spital. Natürlich hat er ihr in Hobl ausblasn und hats stehn lassn.“
Richter, etwas schmunzelnd: „Als angeblicher Hellseher hätten Sie das wissen müssen!“
„Herr Rat, i bin a Wahrsager, aber sicher ka Frauenarzt.“
Richter: „Und einem Gastwirt haben Sie einen Lotto-Sechser vorausgesagt! Der Mann hat aufgrund dieser Prognose sein bescheidenes Lokal in eine riesige Backhendelstation umgestaltet und steht jetzt vor dem Ruin!“
„Da is er selber schuld. I hab eahm de richtign Tipps aufgschriebn ghabt. Aber der Mann hat in seiner Vorfreude beim Ausfülln so zittert, dass er andere Zahl erwischt hat. Selber schuld.
Da kann ma mir wirklich kan Vorwurf machen. Außerdem hat er trotzdem an Gewinn mit an netten Sümmchen ghabt! Und da haßts jetzt, i versteh nix von der Weissagung.“
Der „Wahrsager“wurde schuldig gesprochen. Bevor noch der Richter das Urteil verkündete, sagte er (der Wahrsager) laut zu seinem Anwalt: „Sechs Wochen strenger Arrest. Des stimmt sicher – leider.“
Das Urteil lautete auf sechs Wochen strengen Arrests.