„Wir lernen, mit dem Virus zu leben“
Im niederösterreichischen Korneuburg herrscht Ausnahmezustand: Immer mehr breitet sich hier Corona aus, bereits 15 Menschen sind infiziert. Ein Lokalaugenschein.
Vergangener Freitagnachmittag, im niederösterreichischen Korneuburg. Auf den Straßen, die von der Bezirkshauptstadt wegführen, fahren nur wenige Autos; die in der Landschaft verstreuten Dörfer scheinen menschenleer.
„Nein, das hat nichts damit zu tun, dass es in der Gegend so viele Corona-Fälle gibt“, sagen die Bewohner, „bei uns ist es mittlerweile immer eher ruhig.“
„Reis und Nudeln waren schon ausverkauft“
Denn in jüngster Zeit hätten zahlreiche Gasthäuser zugesperrt; auch Shops und Greißlereien seien in den Ortschaften kaum noch zu finden, „anscheinend erledigen die meisten Leute ihre Einkäufe lieber in Einkaufszentren und großen Supermärkten . . . “
In zweien davon, „ganz in der Nähe“, erzählt Alexander Helnwein, „waren vor ein paar Tagen Nudeln, Reis und Spaghettisaucen ausverkauft. Sicherlich wegen der Panik vor dem Virus.“
Der 49-Jährige, er lebt in Würzing, sagt, „mindestens drei der Infizierten stammen nachweislich von hier“.
Hat er Angst vor einer Ansteckung? „Eigentlich nicht. Und ich verstehe einige meiner Nachbarn nicht, die jetzt ernsthaft glauben, sie würden bald an Corona sterben müssen.“
Schlimme Dinge hätten manche Würzinger gefordert, nachdem sie von der Erkrankung eines Ehepaars und einer weiteren Person aus dem Ort erfahren hatten: „Dass sie alle in eine Isolierstation kommen sollten, für lange Zeit. Und mit ihnen sämtliche ihrer Freunde, Arbeitskollegen und Verwandten – egal, ob Coronapositiv oder -negativ.“
Seelische Abgründe hätten sich aufgetan, seien offensichtlich geworden; in dieser Notsituation, „von der ich bislang leider nicht weiß“, sagt Dagmar Fenz, ebenfalls eine Würzingerin, „wie dramatisch sie tatsächlich ist“.
„Händeschütteln ist jetzt unangebracht“
Die Vorsichtsmaßnahmen der 61-Jährigen: „Ich umarme niemanden mehr, gebe zur Begrüßung und bei Verabschiedungen keine Bussis. Selbst Händeschütteln finde ich eher unangebracht.“
Was Dagmar Fenz und viele andere Menschen aus der Region beklagen: „Die Behörden halten die Namen der Erkrankten geheim. Bis wir sie – durch Tratsch, am Land bleibt schließlich nichts lange verborgen – erfahren, vergeht wertvolle Zeit. In der wir keine Ahnung haben, ob wir selbst zu Risikogruppen gehören. Also, ob wir mit den Betroffenen Kontakt hatten.“
Was sollte eine andere Informationspolitik an der Lage ändern?
Überlegungen zur freiwilligen Isolation
„Wir könnten uns dann in Eigenregie freiwillig zu Hause einsperren und damit die Verbreitung des Virus – wenigstens ein bisschen – eindämmen.“
Furcht vor dem Unbekannten, Hysterie, Panik – das sind die Gefühle der Menschen im Bezirk Korneuburg und vermutlich in ganz Österreich – zu Covid19. Denn nichts macht eben mehr Angst – als das Uneinschätzbare.
Unsere Bezirkshauptfrau hat längst alle nötigen Vorsichtsmaßnahmen und Sicherheitsvorkehrungen getroffen, sollte sich das Coronavirus bei uns weiter ausbreiten.
Christian Gepp, Korneuburgs Bürgermeister
Ich versuche mich zu schützen, indem ich niemanden mehr umarme oder Bussis gebe. Auch Händeschütteln vermeide ich.
Dagmar Fenz (61)
Ich wohne in einem Ort, in dem es Corona gibt. Einige meiner Bekannten meinen, dass das Dorf abgeriegelt werden sollte.
Roman Novak (49)
Ich wohne Tür an Tür mit zwei Erkrankten. Ich habe keine Angst vor Ansteckung. Ich hoffe bloß, dass die beiden bald wieder gesund sind.
Martina Schertler (44)
Vor Menschen, die Infizierte wie Aussätzige behandeln, fürchte ich mich viel mehr als vor dem Coronavirus.
Alexander Helnwein (49)
Ich bin nicht mehr jung. Das Virus ist für mich also sehr gefährlich. Daher gehe ich nun kaum noch nach draußen.
Ingrid Helnwein (79)